Mitte Dezember war ein Team des christlich-jüdischen Shai-Fund, unterstützt von der ICEJ, erneut für eine Woche im Kurdengebiet im Nordirak, um Jesiden und Christen zu helfen, die vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) geflohen sind. Unter der Leitung der Entwicklungshelferin Charmaine Hedding vom Shai-Fund besuchten zwei Gynäkologen, vermittelt durch die Deutsch-Israelische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe,und drei christliche Volontäre aus München Krankenhäuser, Flüchtlingslager und christliche Dörfer. „Unser Hauptschwerpunkt war es, Liebe weiterzugeben“, sagt Maureen Hoppe (25), die die Frauenarbeit der ICF-Gemeinde in München leitet. Das Team war in Dohuk stationiert; während die Ärzte im Krankenhaus junge Vergewaltigungsopfer des IS behandelte, packten Maureen und die übrigen Freiwilligen Hilfspakete und lieferten sie in umliegende Dörfer und Flüchtlingslager aus.
Zuflucht in christlichen Dörfern
„Unsere Hilfe konzentrierte sich u.a. auf zwei abgelegene christliche Dörfer, direkt an der Grenze des Kurdengebietes, nahe Mossul“, berichtet Charmaine, die oft abseits ausgetretener Pfade dort im Einsatz ist, wo die großen Hilfsorganisationen nicht hinkommen „Beide Dörfer bestanden ursprünglich aus 30 bzw. 70 Familien. Sie haben über 300 jesidische und 150 christliche Familien aufgenommen, die vor dem IS flüchten mussten. Die Flüchtlinge sagten uns: Wir sind hierhergekommen, weil wir wussten, dass wir bei den Christen in Sicherheit sind!“ Die Haltung der christlichen Dorfbewohner beeindruckte Charmaine zutiefst. „In einem der beiden Dörfer erzählten sie mir, dass sie eines Morgens aufwachten und auf ihrer Dorfstraße hunderte von Flüchtlingen vorfanden, Christen, Jesiden und Schabaks. Sie waren aus der Ebene von Niniveh vor dem IS geflohen, die ganze Nacht hindurch gelaufen und dann auf dem Dorfplatz zusammen gebrochen.“ Die Jesiden hatten sich zehn Tage lang im Sindschar-Gebirge versteckt, ohne Lebensmittel und Wasser. Der Dorfpriester berichtete, dass viele der Kinder so ausgetrocknet waren, dass sie sich die Zunge zerbissen hatten. „Die christlichen Dorfbewohner haben sich nicht beklagt, sondern die Menschen aufgenommen, so gut es eben ging. Sie sagten: Das ist die Aufgabe, die Gott uns jetzt gestellt hat“, erzählt Charmaine. Das Team verteilte dringend benötigte Lebensmittelpakete, Decken und Matratzen an die Flüchtlingsfamilien, die von humanitärer Hilfe abhängig sind.
Not in den Flüchtlingslagern
Die Lastwagen mit den Hilfsgütern steuerten auch mehrere Flüchtlingslager an, u.a. ein neu errichtetes Lager, das 3000 jesidischen Familien Platz bieten soll. „Für die Jesiden war es das Größte und kaum fassbar, dass wir als Christen ihnen, den Jesiden, helfen“, erzählt Maureen. „Am meisten hat mich die Gastfreundschaft der Menschen beeindruckt. Die Flüchtlinge wollten uns unbedingt zu einer Tasse Tee einladen, obwohl sie in ihren Zelten wirklich gar nichts hatten.“ Als Charmaine eines der Zelte betrat, bot sich ihr ein erschütternder Anblick. „Ein alter Mann lag auf dem Betonboden, auf ihm und dicht an ihn gedrängt lagen mehrere kleine Kinder; es gab nur eine Decke – sie alle versuchten so, sich warm zu halten. Ansonsten war das Zelt komplett leer.“ Das Team bemerkte später, dass die Flüchtlinge sogar die Pappkartons, in denen die Decken geliefert wurden, verwerteten und sie benutzten, um den kalten Boden zu „isolieren“. Viele Flüchtlingsfamilien mussten ihre Häuser im Sommer verlassen, ohne etwas mitnehmen zu können, als sie vor dem IS flohen; sie haben nichts als die Kleider, die sie am Leibe tragen.
Obdachlose Kinder
Das Hilfsteam machte sich in der Umgebung des neuen Lagers auf die Suche nach obdachlosen Flüchtlingen. Viele von ihnen hatten in halbfertigen oder halbverfallenen Gebäuden Unterschlupf gefunden. „Unter diesen Flüchtlingen waren so viele Kinder“, berichtet Charmaine. „Oft sind sie die einzigen Überlebenden ihrer Familien, ohne erwachsene Begleitung oder Schutz.“ Wenn das Team ein Gebäude betrat, bot sich immer wieder dasselbe Bild: Kinder, die sich an einem offenen Feuer wärmten; die Fensterhöhlen des Gebäudes notdürftig mit Plastik verhängt, um Wind und Kälte abzuhalten. „Am bewegendsten war für mich, wie diese Kinder auf unsere Lebensmittelpakete reagierten. Sie waren offensichtlich sehr hungrig. Fast ungläubig schauten sie auf die Pakete, berührten sie fast ehrfürchtig mit der Hand, sahen sie nur an. Wir haben so viele Pakete an diese Kinder verteilt, bis wir keine mehr hatten.“
Medizinische Hilfe
Im Krankenhaus von Dohuk kümmerten sich unterdessen die Gynäkologen um die Mädchen, die vom IS gefangen gehalten und missbraucht worden waren. Das jüngste Mädchen war zwölf Jahre alt, die übrigen zwischen 13 und 16. „Die Geschichten dieser Mädchen brechen einem das Herz“, sagt Charmaine. Die Ärzte nahmen nicht nur die notwendigen medizinischen Maßnahmen vor, sondern sie bildeten dabei gleichzeitig vier irakische Ärzte aus, die die Behandlung weiterer Vergewaltigungsopfer nun selbständige übernehmen können. Einer der beiden aus Deutschland angereisten Gynäkologen kommt ursprünglich aus einem Nachbarland des Irak. „Er stammt aus Aleppo in Syrien, ist Moslem und lebt jetzt in Deutschland“, verrät Charmaine. „Er war sofort dabei, als er hörte, dass ein jüdisch-christliches Hilfsteam sich auf den Weg in den Irak macht!“
Weitere Hilfseinsätze im Nordirak sind geplant. Bitte unterstützen Sie diese lebensrettende und friedensstiftende Arbeit auch weiterhin! Als Verwendungszweck bitte „Nordirak“ angeben. Herzlichen Dank!