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Commentary

Die Hisbollah: Gefahr für Israel und den Libanon

Die Suche nach den Schuldigen für die verheerenden Explosionen in der libanesischen Hauptstadt Beirut am 4. August 2020 führt ohne Frage auch zur schiitisch-libanesischen Terrororganisation Hisbollah, die das Land politisch wie militärisch im Würgegriff hält.

Foto: Pixabay, Hisbollah-Poster im Libanon, Symbolbild

Explosionen in Beirut

Die libanesischen Behörden fanden schnell heraus, dass im Hafen bei Schweißarbeiten in einer Halle gelagerte Feuerwerkskörper in Brand gerieten. Diese entzündeten in der benachbarten Lagerhalle 2.750 Tonnen hochexplosives Ammoniumnitrat. Es soll seit 2014 unsachgemäß im Hafen gelagert worden sein. Ammoniumnitrat wird als Düngemittel oder zur Herstellung von Sprengstoff verwendet. Die Explosion verursachte eine gewaltige Druckwelle, die noch in 20 km Entfernung Schäden verursachte. Mehr als 220 Menschen starben, Tausende wurden verletzt und Hunderttausende obdachlos.

Von Krisen geschüttelt

Schon vor dieser Katastrophe befand sich der Libanon in einer schweren Wirtschaftskrise, die das Land ernsthaft destabilisieren und zu einem erneuten gesellschaftlichen Bruch entlang der Konfessionen führen könnte. Die Landeswährung hatte beinahe 80% ihres Wertes verloren und damit viele Libanesen in die Armut getrieben. Auf Facebook tauschten Menschen ihre Güter und Dienstleistungen gegen Lebensmittel ein. Die schwächelnde Regierung hatte damit begonnen, Kisten mit Obst und Gemüse an die Straßen zu stellen, um die verzweifelte Bevölkerung mit Nahrung zu versorgen. Das hatte es nicht einmal während des 15-jährigen Bürgerkriegs (1975-1990) gegeben. Bevor die Corona-Pandemie das Land traf, befand es sich schon lange in einer finanziellen Notlage. Viele Beobachter machen die Hisbollah dafür verantwortlich. Diese soll die Ressourcen des Landes zur Befeuerung ihrer Zerstörungs-Kampagne gegen Israel und zur Finanzierung ihrer Militärpräsenz in Syrien verwendet haben. Laut dem Bericht einer amerikanischen Stiftung für Demokratie, der Anfang August 2020 veröffentlicht wurde, hatte der Libanon bereits vor den Explosionen 78 Milliarden Euro Schulden. Die Schäden durch die Katastrophe werden auf mindestens 4,2 Milliarden Euro geschätzt.

Machtübernahme

In den frühen 1980er Jahren entstand die Hisbollah als rivalisierende Terrormiliz zur Amal-Miliz. Beide richteten sich gegen Israel, wurden vom Iran finanziert und suchten die Unterstützung der schiitischen Bevölkerung des Libanon in Beirut und im südlichen Grenzgebiet zu Israel. Amal gab ihre militärischen Agitationen auf und wurde zu einer politischen Partei. In den frühen 1990er Jahren ging auch die Hisbollah in die Politik, behielt aber ihre schwer bewaffnete Miliz bei. Im Laufe der Zeit wurde die Hisbollah-Miliz so stark wie die libanesischen Streitkräfte. Das gab ihr ein größeres politisches Gewicht, als es ihr der Größe ihrer kleinen Fraktion im Parlament nach zugekommen wäre. Infolgedessen erhielt die Hisbollah im Grunde ein Vetorecht hinsichtlich der Entscheidungen der libanesischen Regierung und wurde sogar im Doha-Abkommen (Mai 2008), das eine 18-monatige politische Krise beendete, festgeschrieben.

Bedrohungslage

Für die jüngsten Explosionen in Beirut wird die Hisbollah mitverantwortlich gemacht. Ihr wird vorgeworfen, die „inoffizielle Kontrolle“ über den Hafen zu haben - kein Im- und Export erfolgt ohne ihre Zustimmung und bei allen verdient sie mit, auch an den Rauschgiftexporten aus der Bekaa-Ebene. Die Hisbollah wusste um die tödliche Explosionskraft des Ammoniumnitrats und hielt es höchstwahrscheinlich zurück, um es gegen Israel einzusetzen. Dass das Ammoniumnitrat in einem geschäftigen Stadtgebiet gelagert wurde, schien die Hisbollah nicht zu stören. Seit Jahrzehnten versteckt sie Raketen und Munition inmitten jeder Stadt und in jedem Dorf im Südlibanon. Mit Hilfe Syriens baute der Iran die Hisbollah zu einer regionalen Militärmacht auf. Nur eine Handvoll Staaten verfügt über mehr Raketen als die Terrororganisation. Ihr Raketenarsenal umfasst mehr als 150.000 Raketen und ist eine reale Bedrohung für den jüdischen Staat. Inzwischen gehören auch zahlreiche präzisionsgesteuerte Langstreckenraketen dazu, die Ziele in ganz Israel treffen können, und verbesserte „Killer“-Drohnen, deren Fähigkeiten der israelischen Armee bisher anscheinend nicht bekannt sind.

Aufruhr im Libanon

Vom wirtschaftlichen Zusammenbruch und der Corona-Krise jeglicher Hoffnung beraubt, kritisierten viele mutige Libanesen die Hisbollah bereits vor den Explosionen in aller Öffentlichkeit für ihre Rolle in der nationalen Krise. Darunter sind auch viele Schiiten, die anprangern, dass die Hisbollah ihre Nation in den Bankrott getrieben und ihre Söhne in den syrischen Bürgerkrieg geschickt hat. Hisbollah-Führer Scheich Hassan Nasrallah, der in der arabischen Welt einst als Held galt, wird nun offen von arabischen Führern und Medien verspottet, weil er sich immer in seinem Bunker versteckt hält. Doch gleichzeitig wächst die Befürchtung, dass die radikale Terrororganisation einen Krieg mit Israel suchen könnte, um sich der Verantwortung für die prekäre wirtschaftliche Lage zu entziehen. Die Explosionen im Hafen von Beirut am 4. August haben die Krise im Libanon noch verschlimmert und die Wut der Bevölkerung auf die korrupte und scheinbar inkompetente Regierung angefeuert. Nach Massenprotesten trat die libanesische Regierung unter Premierminister Hassan Diab am 10. August 2020 zurück.

Gebetsanliegen: Beten wir, dass Gott sich über den Libanon erbarmt und den Menschen Frieden und Freiheit schenkt. Lassen Sie uns um Trost für die Trauernden, Versorgung für alle Betroffenen und für einen schnellen Wiederaufbau bitten. Beten wir um eine Verbesserung der Beziehungen zwischen dem Libanon und Israel. Israel hat dem Libanon, mit dem es keine diplomatischen Beziehungen unterhält und seit 1948 im Krieg ist, Hilfe in der Krise angeboten.


Libanonhilfe nach Explosionen in Beirut

ICEJ hilft libanesischen Christen

Durch die verheerenden Explosionen am 4. August 2020 im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut sind große Teile der Stadt zerstört oder beschädigt worden. Mehr als 150 Menschen starben, etwa 6.000 wurden zum Teil schwer verletzt und rund 300.000 Bewohner der Hafenstadt sind obdachlos. Auch örtliche Kirchen und Gemeinden sowie christliche Werke sind betroffen. Seit 40 Jahren unterstützt die Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ) Christen im Nahen Osten, die unter Verfolgung, Konflikten, Katastrophen und vielen weiteren Herausforderungen leiden. Derzeit sind wir dabei, unseren libanesischen Brüdern und Schwestern nach den verheerenden Explosionen in Beirut zu helfen. Wir unterstützen örtliche christliche Kirchen und Dienste, so dass sie die Schäden beseitigen und in der Liebe Christi auch anderen, die dringend auf Hilfe angewiesen sind, beistehen und helfen können.

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns mit Ihren Gebeten und Gaben helfen, unseren Geschwistern im Libanon zur Seite zu stehen! Als Verwendungszweck bitte „Libanonhilfe” angeben, herzlichen Dank!

 

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Sitzt der Nahe Osten auf einem Pulverfass?

Seit fast einem Jahrzehnt führt Israel einen Schattenkrieg gegen den Iran und ist dabei ziemlich erfolgreich – vielleicht sogar ein bisschen zu erfolgreich. Das radikale Regime in Teheran befindet sich unter wachsendem Druck, entweder eine Reihe von Missgeschicken im Land einzugestehen oder Rache an Israel und seiner vermeintlichen Sabotage-Kampagne zu verüben. Angesichts anderer Entwicklungen in der Region könnte selbst die Corona-Pandemie nicht imstande sein, eine ernsthafte militärische Eskalation zu verhindern.

Foto: Pixabay, Karte Nahost, Symbolbild

Mysteriöse Explosionen im Iran

Seit Ende Juni hat es acht mysteriöse „Vorfälle“ in verschiedenen Militär- und Industrieanlagen des Iran gegeben (Stand Anfang Juli). Dazu zählten Explosionen und/oder Brände in einer Fabrik für ballistische Raketen, einem Raketendepot, einer Klinik in Teheran, einem Kraftwerk und einer petrochemischen Fabrik im Süden des Landes, einem Automobilwerk, einer Gaslagerstätte nahe der Militärbasis Parchin und einer Lagerhalle in der Atomanlage Natanz, in der Uranium angereichert wird.

Die letzten beiden Standorte sind besonders bemerkenswert. Auf der Militärbasis Parchin soll der Iran einst Atomwaffentests durchgeführt haben. Der Iran hat den UN-Inspektoren wiederholt den Zugang zu diesem Stützpunkt verwehrt. Die Explosion in Natanz zerstörte ein Gebäude, in dem Zentrifugen vor ihrer Inbetriebnahme ausgeglichen wurden. Man erinnere sich: Natanz war bereits vor zehn Jahren vorübergehend durch den Computervirus Stuxnet untauglich gemacht worden, der gemeinsam von den USA und Israel kreiert worden sein soll. Vor nicht allzu langer Zeit begannen die iranischen Behörden mit der Verdopplung ihrer Anreicherungskapazität – ein Verstoß gegen das 2015 unterzeichnete Atomabkommen, das das Streben des Irans nach Atomwaffen eindämmen sollte. Experten vermuten, dass die Explosion in Natanz Anfang Juli weitere Aktivitäten in der Anlage für bis zu zwei Jahre unmöglich gemacht haben könnte.

Das Mullah-Regime in Teheran hat versucht, all diese Missgeschicke mit defekten Gasleitungen und voneinander unabhängigen Unfällen zu erklären. Langsam aber sicher sieht es jedoch nach einer Serie geplanter Sabotageangriffe aus – auch in den Augen der iranischen Öffentlichkeit. Sie fordern Antworten und selbst im Parlament werden die Rufe lauter, Präsident Hassan Rohani seines Amtes zu entheben, angesichts seiner scheinbaren Inkompetenz.

Falls diese jüngsten Ereignisse tatsächlich Teil des verdeckten Konflikts zwischen Israel und dem Iran sind, würde in diesem Wettkampf die „zionistische“ Seite weit vorne liegen.

Luftschläge, Cyberangriffe und Geheimdienstoperationen

In den letzten Jahren hat Israel über 1.000 Luftschläge gegen Stützpunkte des Irans, Syriens und der schiitisch-libanesischen Terrororganisation Hisbollah auf syrischem Boden ausgeführt. Einige dieser Bombardements und Raketenangriffe waren sehr zerstörerisch: Waffenlager wurden vernichtet, wichtige Luftstützpunkte im ganzen Land lahmgelegt und dutzende Kämpfer der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) und pro-iranischer Schiiten-Milizen getötet. Berichten zufolge soll Israel auch pro-iranische Milizen und Raketenstützpunkte im westlichen Teil des Iraks angegriffen haben.

2018 brachen israelische Agenten in einer waghalsigen Aktion in eine unscheinbare Lagerhalle in Teheran ein und schmuggelten einen Schatz voller Geheimdokumente zum verborgenen iranischen Atomwaffenprogramm heraus.

Letztes Jahr entdeckte und zerstörte die israelische Armee mehrere Terror-Tunnel, die die Hisbollah aus dem Südlibanon nach Israel gegraben hatte, und beraubte den Iran somit einer wichtigen Geheimstrategie, Israel anzugreifen.

Im Januar dieses Jahres tötete die US-Armee Qasem Soleimani, Kommandeur der Quds-Brigaden, einer Eliteeinheit der IRGC, auf dem Flughafen von Bagdad. Diese gezielte Tötung durch eine US-Drohne soll u.a. durch Informationen israelischer Nachrichtendienste ermöglicht worden sein.

Und nachdem Israel einen Cyberangriff, der das Trinkwasser im Land hätte vergiften können, abgewehrt hatte, richtete es im Mai mit einem eigenen Cyberangriff große Verwirrung im wichtigsten Hafen des Iran an.

Merkwürdigerweise haben die Iraner auf diese verschiedenen Schläge durch Israel kaum reagiert. Die wenigen Gegenschläge waren ungewohnt schwach. Einige wenige Raketen wurden aus Syrien auf die Golanhöhen gefeuert, aber die meisten wurden abgeschossen oder schlugen noch vor der israelischen Grenze ein. In Nordisrael drangen ein paar feindliche Drohnen ein, die aber schnell entdeckt und unschädlich gemacht werden konnten.

Die israelische Armee hat der iranischen Achse also zahlreiche Kinnhaken verpasst, während der israelische Geheimdienst Mossad die Handtaschen der Ajatollahs leerte und auch den wichtigsten Exporteur der iranischen Revolution ausschaltete. Angesichts der vermuteten Sabotage-Kampagne, die gerade den Iran erschüttert, wächst der Druck auf das Regime, entweder eine Erklärung für all diese Zwischenfälle zu liefern oder mit der Rache an Israel zu beginnen. Die iranische Regierung spielt die Vielzahl an Explosionen und Bränden herunter. Aber sie erscheint dabei sehr stümperhaft, vor allem wenn man auch die schwächelnde Wirtschaft, den Absturz der Währung, die tatsächlichen Corona-Fallzahlen im Land und ihre Lügen über das im Januar abgeschossene ukrainische Flugzeug in Betracht zieht.

Die Taktik des Mullah-Regimes

Es ist verwunderlich warum der Iran bisher noch keine Gegenschläge unternommen hat. Teheran hat bewiesen, dass es sehr wohl in der Lage ist, zu bestimmten Anlässen gewaltige, ausgeklügelte Militäroperationen durchzuführen. Zum Beispiel kamen bei dem Überraschungsangriff auf Ölfelder im östlichen Saudi-Arabien letzten September zahlreiche bewaffnete Drohnen und Lenkraketen zum Einsatz, die der fortschrittlichen Luftabwehr „Made in USA“ entgingen.

Und iranische Beamte sind bekannt dafür, jedes Mal mit sehr viel Lärm und Getöse Vergeltungsschläge gegen Israel und seinen amerikanischen Verbündeten anzukündigen, wenn sie einen Schlag wegstecken müssen.

Aber, so sagt man, die Iraner haben auch das Schachspiel erfunden. Sie denken gerne langfristig, wiegen ab und planen mehrere Züge im Voraus. Daher ist es für sie wichtiger, ihre Truppen in Syrien und im Irak zu etablieren, ihren Griff nach dem Libanon zu festigen, Riad durch die verbündeten Huthi-Rebellen im Jemen zu bedrohen, Öl an Venezuela zu liefern und zuhause ihre Raketen und Nuklearkapazitäten weiterzuentwickeln.

Wenn sie in der Zwischenzeit hin und wieder einen Militärschlag durch eine ihrer verbündeten Milizen verüben – und diesen dann umgehend abstreiten – können, kommt es ihnen gerade gelegen. Jüngste Meldungen deuten darauf hin, dass die Iraner beim Versuch ertappt wurden, eine altbekannte Taktik anzuwenden, nämlich Anschläge auf israelische Botschaften im Ausland zu verüben.

Die Hisbollah: Gefahr für Israel und für den Libanon

Dennoch haben sie tödliche Aktivposten vor Israels Haustür platziert, die eine reale Bedrohung für den jüdischen Staat darstellen. Dazu zählt insbesondere das Raketenarsenal der Hisbollah im Libanon, das mehr als 150.000 Raketen umfasst. Inzwischen gehören auch zahlreiche präzisionsgesteuerte Langstreckenraketen dazu, die Ziele in ganz Israel treffen können, und verbesserte „Killer“-Drohnen, deren Fähigkeiten der israelischen Armee weiterhin nicht bekannt  sind.

Der Libanon selbst befindet sich inmitten einer schweren wirtschaftlichen Krise, die das Land ernsthaft destabilisieren und zu einem erneuten gesellschaftlichen Bruch entlang der Konfessionen führen könnte. Die Landeswährung hat beinahe 80% ihres Wertes verloren und damit viele Libanesen in die Armut getrieben. Auf Facebook tauschen Menschen ihre Güter und Dienstleistungen gegen Lebensmittel ein. Die schwächelnde Regierung hat damit begonnen, Kisten mit Obst und Gemüse entlang der Straßen zu stellen, um die verzweifelte Bevölkerung mit Nahrung zu versorgen. So etwas hatte es nicht einmal während des 15-jährigen Bürgerkriegs gegeben.

Viele mutige Libanesen, unter ihnen auch Schiiten, die vom wirtschaftlichen Zusammenbruch und der Corona-Krise jeglicher Hoffnung beraubt sind, kritisieren die Hisbollah in aller Öffentlichkeit für ihre Rolle angesichts dieser nationalen Krise. Zur gleichen Zeit gibt es Hinweise, dass die radikale Terrororganisation einen Krieg mit Israel sucht, um sich selbst aus der Verantwortung zu ziehen. Jede der mysteriösen Explosionen im fernen Iran heizt diese Befürchtungen nur weiter an.

Vermutlich wissen die Libanesen bereits etwas, das wir gerade erst realisieren: Der Nahe Osten sitzt auf einem Pulverfass und der kleinste „Unfall“ könnte ihn zum Explodieren bringen.


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Der Gott der umfassenden Gnade – Chessed

„Gibt es im Alten Testament überhaupt Gnade?“ Das ist eine Frage, die bis heute hartnäckig gestellt wird. Wie ist es zu dieser Frage gekommen, die auch Theologen noch immer beschäftigt? Ihr Ursprung liegt in einer alten unseligen Geschichte, die sich um ca. 150 n. Chr. in Rom abspielte.

Foto: Pixabay, Klagemauer, Symbolbild

Ablehnung des Alten Testaments

Der reiche Reeder Marcion aus Pontus kam nach Rom und nahm in der Gemeinde schnell eine einflussreiche Position ein. Bald wirkte er auch als Lehrer. Er erklärte den Gläubigen, der Gott des Alten Testamentes (AT) sei nicht der Vater von Jesus, er sei grausam, zornig und unberechenbar. Das AT sei schädlich, in ihm gebe es keine Gnade. Marcion ließ nur das Lukasevangelium und sieben Briefe von Paulus gelten. Die Kirchenväter Irenäus und Tertullian bekämpften ihn, aber umsonst. Die Früchte dieses bösen Samens wachsen noch immer. Vor einiger Zeit hörte ich auf einer Tagung einen jungen freikirchlichen Pastor zu einem Kollegen sagen: „Letzten Sonntag habe ich das erste Mal aus dem Alten Testament gepredigt.“ Aussagen wie „Wir sind nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade; wir brauchen das Alte Testament nicht!“ sind häufig zu hören.

Gnade im Alten Testament

Falsche Lehren können sich lange halten, besonders die, dass im AT keine Gnade zu finden sei. Die Unwissenheit ist groß, vor allem auch, weil sich die Kirche schon früh vom Judentum getrennt hat. Das hebräische Wort für Gnade heißt chessed (חסד). Es kommt im AT gut 245 Mal vor, allein in den Psalmen 127 Mal. Der fromme Jude preist die Gnade Gottes, denn dieser Begriff besagt viel mehr als das, was wir gewöhnlich darunter verstehen. Das hebräische chessed umfasst das Erleben der Güte, Gnade und vor allem der unveränderlichen Liebe und Freundlichkeit Jahwes. Diese Worte finden wir an vielen Stellen im ersten Teil unserer Bibel.

Gnade, chessed, ist ein starkes Wort aus dem Vorderen Orient. Es betrifft den Bund (brit) Gottes mit seinem Volk Israel und entstammt folgender Situation: Wenn ein Fürst Gefallen an einem Vasallen oder einem schwächeren Fürsten an seiner Seite hat, bietet er ihm an: „Hier ist mein Bund mit dir. Du kannst dich auf mich verlassen.“ Grundlage des Bundes ist chessed - Liebe, Gnade, Güte - und zwar als feste, unverrückbare Größe. Einer kann dem anderen vertrauen.

 JHWH, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Wahrheit!(2. Mose 34,6)

Gottes Wesen: Gnade und Wahrheit

Neben chessed ist emet ein weiterer wichtiger Begriff, um das Wesen Gottes zu beschreiben. Emet bedeutet Wahrheit, aber auch Treue, und hat die Wurzel amn, Amen. Gott ist treu! Dieser wunderbare Doppel-Begriff Gnade und Wahrheit (chessed & emet) wird in den Psalmen zwölf Mal verwendet, ein weiteres Dutzend Mal findet er sich in weiteren Schriften des AT. In 1. Mose 24 sendet Abraham seinen Knecht nach Haran, um für Isaak um eine Frau zu werben. Als der Knecht die glückliche Lösung schon fast greifen kann, sagt er:Gepriesen sei der HERR, der Gott meines Herrn Abraham, der seine Gnade und Treue/Wahrheit (chessed & emet) gegenüber meinem Herrn nicht hat aufhören lassen!“ (1. Mose 24,26-27) Und die Familie, die durch einen Bund mit Abraham verbunden ist, bittet er: „Wenn ihr Gnade und Treue/Wahrheit (chessed & emet) an meinem Herrn erweisen wollt, teilt es mir mit.“ (Vers 49)

In 2. Mose 34,6 hörte Mose Gottes Worte: „JHWH, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Wahrheit (chessed & emet).“ Diesem Ausspruch war die Sünde des Volkes Israel, das das goldene Kalb anbetete, und Moses Bitte um Vergebung direkt vorausgegangen. Gott sagt auf dem Höhepunkt der verzweifelten Lage unzweideutig: Ich stehe treu zu meinem Bund, auch wenn ihr euch versündigt habt. Ich bin gnädig und vergebe! Die Gnade als Wesensart Gottes wirkt auch für Nichtjuden Rettung. Die israelitischen Kundschafter in Jericho versprechen der Rahab für ihre Hilfe: „Wenn der HERR uns das Land gibt, dann werden wir Gnade und Treue/Wahrheit (chessed & emet) an dir erweisen.“ (Josua 2,14)

Gesetz und Gnade: kein Gegensatz

Auf dem Sinai empfing Israel das Gesetz aus Gottes Hand und durfte nach der Anbetung des goldenen Kalbes die Gnade Gottes erfahren. Kein Wunder, dass Israel den Sinai liebt - als Symbol der Liebe und der Gnade Gottes, die Gottes absolute Zuverlässigkeit zwischen ihm und uns bezeugt. Gesetz und Gnade sind keine Gegensätze. Das Gesetz, durch das Menschen eine hohe Lebensqualität als Individuen, als Familien und als Staat erleben, ist Ausdruck der Gnade Gottes. Auf dieser Grundlage ist auch Jesus gekommen, wie es in Johannes 1,14+17 heißt: „Wir sahen seine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit.“ Israel sollte wissen: Gottes Wort bürgt für Leben. Jetzt ist Jesus da, ihr könnt ihn erleben, in seine Augen schauen, seine Worte hören, seine liebevolle Hand spüren – seine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit. Gott steht noch immer fest zu seinem Bund!

Als Mose mit der Botschaft von Gnade und Wahrheit zu seinem Volk kam, strahlte sein Gesicht. Aber Mose war nur ein Mensch. Ihm war das, was Jesus ausstrahlte, nicht eigen. In 2. Mose 34,6 lesen wir auch das Wort rachamim, was barmherzig bedeutet. Es wird von dem Wort für Mutterleib hergeleitet: In diesem hebräischen Wort klingt an, was eine Mutter empfindet, wenn sie ihr gerade neugeborenes Kind zappelnd und noch blutig vor sich liegen sieht. Dasselbe empfindet Gott für uns in seiner Gnade, seiner chessed! Wenn Jesus die Menschen voller Mitleid ansah, strahlte er Gnade und Wahrheit aus.

Gottes Gnade

In Verbindung mit dem ewigen Bund zwischen Gott und Israel gewinnt der Ausdruck Gnade und Wahrheit eine überragende Bedeutung. Gott wird seinen chessed–Bund nie brechen, auch wenn Israel untreu ist! Auch wenn die Propheten selten chessed anführen, ist das göttliche Prinzip klar. Paulus erklärt das im Römerbrief, Kapitel 9-11, und schreibt auch an Timotheus: Wenn wir untreu sind, ist Gott doch treu, er kann sich selbst nicht verleugnen.“ (2. Timotheus 2,13) Gottes Gnade ist aktiv, sozial und ewigwährend. Er schenkt seine Gnade (Micha 7,20), erinnert sich an sie (Psalm 25,6), lässt sie andauern (Jeremia 31,3), sendet sie (Psalm 57,4), zeigt sie (Psalm 85,8), macht sie groß (Psalm 103,11), er kann sie auch wegnehmen (Jeremia 16,5) oder ihr befehlen (Psalm 42,9). Wir können sie durch unsere Liebe, chessed, erwidern.

Was chessed auch bedeuten kann

Zuletzt ein interessantes Detail. Prof. Shmuel Safrai erklärt die Bedeutung der Bezeichnung Worte der Gnade, mit denen Jesus‘ Worte in der Synagoge von Nazareth in vielen Bibelübersetzungen beschrieben werden: „Sie gaben ihm Zeugnis und wunderten sich über die Worte der Gnade ...“ (Lukas 4,22) Nur wenige Verse später berichtet Lukas, dass alle Synagogenbesucher Jesus voller Zorn umbringen wollten (Lukas 4,28-29). Wir sind verwirrt. Wie kann Begeisterung so schnell in Hass umschlagen? Worte der Gnade heißt im Hebräischen divrei chessed. Ihre wahre Bedeutung ist: falsche, üble Lehre. Chessed kann demnach auch etwas Negatives ausdrücken, wie in Sprüche 14,34 deutlich wird: Gerechtigkeit erhöht eine Nation, aber Sünde ist die Schande (chessed) der Völker.“ Diesen Zusammenhang sieht der hebräische Übersetzer sofort. Aber wer einen griechischen Satz übersetzt, kann das hebräische Idiom dahinter oft nicht erkennen. Die Leute in Nazareth sind sofort wütend, weil Jesus die Jesaja-Worte auf sich bezieht und weil sie das für eine falsche Lehre halten. Für sie ist er nur der Sohn Josephs.

Zur Eingangsfrage „Gibt es Gnade im Alten Testament?“ können wir festhalten: Ja, sehr viel. Gottes chessed ist so groß, dass sogar Heiden davon profitiert haben - zum ewigen Leben.

 

Buchtipp: „Der Jude Paulus“ von Horst Krüger

Der Jude Paulus verfasste seine Briefe an die Gemeinde in Rom auf Griechisch. In seinem Buch „Der Jude Paulus - Sein Brief an die Römer“ hilft uns Horst Krüger, Paulus besser zu verstehen, indem er fragt: Was mag der Apostel wohl auf Hebräisch gemeint haben?

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Wurde Israel aufgebaut, um erneut zerstört zu werden?

Wehe! Denn groß ist jener Tag, keiner ist wie er, und es ist eine Zeit der Bedrängnis für Jakob; doch wird er aus ihr gerettet werden.“ (Jeremia 30,7)

 

Vor ein paar Jahren hörte ich die Predigt eines bekannten Bibellehrers. Er sagte zusammengefasst etwa Folgendes: „Das jüdische Volk hat die Lektionen aus dem Holocaust noch nicht gelernt. Daher muss es noch mehr Leid erleben. Im Vergleich dazu wird der Holocaust unbedeutend erscheinen.“ Eine ähnliche Aussage, die immer wieder gemacht wird, lautet: „Zwei Drittel aller Juden werden in der großen Trübsal umkommen.“ Mit anderen Worten: Das schlimmste Kapitel der jüdischen Geschichte liegt noch vor uns. Oder, um es direkter zu formulieren: Gott bringt das jüdische Volk zurück in seine Heimat Israel, um zwei Drittel in einem massiven Feuersturm zu töten. Diese These wird normalerweise mit unheilvollen Ankündigungen der Propheten des Alten Testaments verknüpft, die diese Ansicht zu untermauern scheinen. Eine dieser Passagen ist der oben genannte Vers aus dem Propheten Jeremia, der über die „Zeit der Bedrängnis für Jakob“ spricht. Andere Bibelstellen, die als Belege herangezogen werden, sind Sacharja 13,8+9 sowie Hesekiel 5. Beide handeln von einer Zeit, in der zwei Drittel der Bewohner des Lands vernichtet werden.

 

Der prophetische Kontext
Ich persönlich habe große Vorbehalte gegen diese Art der Interpretation, weil ich glaube, dass diese Passagen aus ihrem Kontext gerissen werden. Und was noch wichtiger ist: Die oben genannten Deutungen stellen den Charakter Gottes und seine aktuellen Absichten für Israel falsch dar. Zudem zeigt die Bibel, dass die „Zeit der Bedrängnis für Jakob“ und die Vernichtung von zwei Dritteln der israelischen Bevölkerung zwei verschiedene Ereignisse in der jüdischen Geschichte betreffen. Das werde ich im Folgenden erläutern.

 

     A. Jeremia und Jakobs Bedrängnis

Das 30. Kapitel des Propheten Jeremia ist die Einleitung zu einer Abfolge großartiger biblischer Vorhersagen (30-33) über die Wiederherstellung Israels. Sie finden ihren Höhepunkt in einem „neuen Bund“, der Herzen verändert, und in der Herrschaft eines „Sprosses der Gerechtigkeit“. Gott stellt sicher, dass diese Verheißungen nicht verlorengehen, sondern künftigen Generationen bekanntwerden. Er weist Jeremia nämlich ausdrücklich an, diese Worte niederzuschreiben, „denn es kommt die Zeit, in der ich das Schicksal meines Volkes wieder zum Guten wende. Ich bringe die Israeliten und die Judäer zurück in das Land….“ (30,2+3).

 

Dann erläutert Gott ab Vers 4, in welcher Reihenfolge er dieses Erlösungswerk vollbringen wird. Zunächst sieht man ein Bild der Verzweiflung und großer Not: „Angstgeschrei und Entsetzen” machen sich breit. Dann folgt der Ausruf: „Wehe! Denn groß ist jener Tag, keiner ist wie er, und es ist eine Zeit der Bedrängnis für Jakob…“ (30,7) Direkt danach beginnt das Wiederherstellungsprogramm Gottes sich zu entfalten. Der Herr kündigt an, dass es Veränderungen geben wird. Er wird das Joch der Bedrückung zerbrechen (30,8), bis Israel schließlich Gott und seinem Messias dienen wird. Er fährt fort:

 

„Fürchtet euch nicht, ihr Nachkommen von Jakob, meine Diener! … Denn ich, der HERR, verspreche euch: Aus einem fernen Land werde ich euch zurückholen. Ja, ich befreie eure Nachkommen aus dem Land, in dem sie Gefangene sind. Dann werdet ihr in Frieden und Sicherheit leben, niemand bedroht euch mehr. “(30,10)
 

Eine ähnliche Abfolge von Ereignissen finden wird im darauffolgenden Kapitel 31. Dort erklärt der Prophet: „Das Volk derer, die dem Schwert entronnen sind, hat Gnade gefunden in der Wüste…“ (31,2) Israel entrann dem Schwert und Gott rettete sie. Auf diese Erklärung folgt erneut das Versprechen der Rückkehr aus dem Exil: „Siehe, ich bringe sie herbei aus dem Land des Nordens und sammle sie von dem äußersten Ende der Erde, …als eine große Volksversammlung kehren sie hierher zurück“ (31,8). Das deutet darauf hin, dass die „Zeit der Bedrängnis Jakobs“ eine beispiellose Katastrophe darstellt („kein Tag ist wie er“), während sich Israel noch im Exil befindet. Aus dieser Krise heraus bringt Gott sie wieder in ihr Land zurück.


Genau diese Entwicklung können wir an der modernen Geschichte Israels ablesen: Ein Volk, das mit knapper Not seiner vollständigen Vernichtung im Holocaust entkommen ist und sechs Millionen Tote zu betrauern hat, erhebt sich aus der Asche dieser großen Tragödie. Es kehrt in seine Heimat zurück, um die Nation Israel wiederherzustellen, genau, wie es der Prophet Hesekiel vorausgesagt hatte:

 

„Und er sprach zu mir: Menschensohn, diese Gebeine, sie sind das ganze Haus Israel. Siehe, sie sagen: Unsere Gebeine sind vertrocknet, und unsere Hoffnung ist verloren; es ist aus mit uns. Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht der Herr, HERR: Siehe, ich öffne eure Gräber und lasse euch aus euren Gräbern heraufkommen als mein Volk und bringe euch ins Land Israel.“ (Hesekiel 37,11+12)

 

Der Holocaust war tatsächlich das dunkelste Kapitel der jüdischen Geschichte. Es war eine Zeit der Bedrängnis für Jakob. Alle Historiker sind sich einig, dass diese Tragödie in der Menschheitsgeschichte einzigartig ist. Doch aus dieser Zeit der Verwüstung und Hoffnungslosigkeit rettete Gott sein Volk und brachte es in sein Land zurück.

 

     B.  Hesekiel und die verstreuten Haare

Hesekiel war der erste Prophet, der die Katastrophe vorhersagte, dass nämlich zwei Drittel der Volkes Israel umkommen würden (Hesekiel 5,1-4). Er prophezeite über diese Geschehnisse während des babylonischen Exils. Gott forderte ihn auf, eine merkwürdige Handlung vorzunehmen, um zu zeigen, was kommen würde: Mit einem Schermesse sollte er seine Haare und seinen Bart abschneiden! Dann hieß es: „Ein Drittel sollst du mitten in der Stadt mit Feuer verbrennen, … und ein Drittel sollst du nehmen und es rings um sie her mit dem Schwert schlagen; und ein Drittel sollst du in den Wind streuen!“ (5,2)„Das ist Jerusalem!“, erklärt ihm der Herr. Die Bevölkerungsmehrheit von zwei Dritteln würde durch Hunger, Gericht und Krieg sterben, während das verbleibende Drittel keine Erlösung fände, sondern in die ganze Welt zerstreut würde; selbst im Exil wären sie heftiger Verfolgung ausgesetzt (5, 2-4).

 

     C.  Sacharja und der Hirte

Zu Lebzeiten des Propheten Sacharja kehrte Israel aus Babylon zurück. Die Kapitel 12-14 berichten über den endzeitlichen Kampf um Jerusalem und die Wiederherstellung der Stadt. Höhepunkt dieses Prozesses wird die Erlösung Israels sein, wenn „der Geist der Gnade und des Flehens“ über ihnen ausgegossen wird. Doch zwischen diese Weissagungen fügte der Prophet eine Vision über den Messias ein…

 

„Wach auf, Schwert, gegen meinen Hirten und gegen den Mann, der mein Gefährte ist!, spricht der HERR der Heerscharen. Schlage den Hirten, dass die Schafe sich zerstreuen! Und ich werde meine Hand den Kleinen zuwenden.“ (Sacharja 13,7)


Jesus selbst zitiert diese Schriftstelle (Markus 14,27). Dabei sieht er ihre Erfüllung in den Geschehnissen im Garten von Gethsemane, als seine Jünger flohen und ihn in seinem Leiden allein ließen. Allgemeiner gesehen ist es auch ein Bild für das gesamte Volk Israel. Es wurde drei Jahrzehnte nachdem Christus, der große Hirte „geschlagen“ wurde und starb, in alle Welt zerstreut. In diesem Zusammenhang sagt Sacharja tragische Zeiten für ganz Israel voraus: „Und es wird im ganzen Land geschehen, spricht der HERR, zwei Teile davon werden ausgerottet, verscheiden, und nur der dritte Teil davon bleibt übrig.“(Sacharja 13,8)
 

Der jüdische Historiker Josephus Flavius berichtet, dass vor der Zerstörung des Tempels zirka 1,1 Millionen Juden während des ersten jüdischen Aufstandes ihr Leben im Land Israel verloren. Nur wenige Jahrzehnte später, während der Bar-Kochba-Revolte, beziffert der römische Historiker Cassius Dio die Anzahl der jüdischen Todesopfer auf 580.000 Personen. Die Überlebenden wurden ins Exil geschickt. Somit betrug die Gesamtanzahl der Getöteten in beiden Aufständen über 1,7 Millionen Menschen.

 

Der jüdische Historiker Salo Wittmayer Baron schätzt, dass die Bevölkerung Israels zur Zeit des römischen Kaisers Claudius (41-54 AD) zirka 2,3 Millionen Menschen ausmachte. Zwei Drittel davon wären zirka 1,5 Millionen. Es gibt also eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen der säkularen Geschichtsschreibung und den Worten der hebräischen Propheten, die 500 Jahre zuvor verkündet worden waren. Sowohl die Geschichtsbücher als auch der prophetische Kontext des „geschlagenen Hirten“ veranlassen uns dazu, diese Ereignisse in der Vergangenheit zu verorten und nicht in der Zukunft.

 

Jesus selbst sah diese Katastrophe für Israel voraus und weinte über Jerusalem. „Und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen“ (Lukas 21,24). Auch Sacharja weissagte über eine lange Zeit des Gerichts für Israel. Zwei Drittel würden sterben, während der Überrest durch das „Feuer“ des Exils hindurchgehen müsste; dann erst würde endlich ihre Erlösung kommen.

 

Es gibt also einen gemeinsamen roten Faden, der sich durch die Prophezeiungen in Jeremia 30-33, Hesekiel 5 und Sacharja 13 hindurchzieht. Der Prozess der Erlösung Israels beginnt mit der Ablehnung und dem Schlagen des Hirten. Darauf folgen riesige Turbulenzen im Land, in deren Verlauf zwei Drittel der Bevölkerung getötet und das verbleibende Drittel in alle Welt zerstreut werden. Dieses Exil ist durch das läuternde Feuer ständiger Verfolgung gekennzeichnet. Es findet seinen Höhepunkt in einer letzten Katastrophe außerhalb des Landes, die als „Jakobs Bedrängnis“ bekannt ist. Das Exil endet mit der Wiederherstellung des Staates Israel, auf die schließlich die geistliche Wiedergeburt der Nation folgt.  

 

Genau dieselbe Abfolge finden wir auch in den fantastischen Kapiteln 36 und 37 des Propheten Hesekiel, während Psalm 102 ebenfalls eine Zeit schwerer Prüfung voraussagt, die große Ähnlichkeit mit dem Holocaust hat. Danach erklärt Gott schließlich, dass die Zeit, Zion zu begnadigen gekommen sei.

 

Das neue Paradigma der Gnade für Zion

Von den Propheten erfahren wir, dass nichts den Wiederherstellungsprozess Israels mehr stoppen kann, wenn er einmal in Gang gesetzt wird. Sacharja prophezeit, dass Jerusalem zu einem „Taumelbecher“ für die Welt werden wird und dass sich die Länder dieser Erde schließlich gegen Jerusalem wenden werden. Doch derselbe Prophet verheißt, dass die Nationen gerichtet werden, während Israel Befreiung erfährt und am Ende als Sieger aus dem Konflikt hervorgeht.

 

Die Wiederherstellung Israels ist ein Paradigmenwechsel in Gottes Verhalten gegenüber dem jüdischen Volk. Der Prophet Jesaja beginnt seine Kapitel über die Wiederherstellung (40-48) mit dem Ausruf „Tröstet, tröstet mein Volk“ und der Aufforderung Israel zu verkünden, dass „sein Heeresdienst vollendet, dass seine Schuld abgetragen ist; denn es hat von der Hand des Herrn das Doppelte empfangen für all seine Sünden.“ (Jesaja 40,1+2) Diesen Ausdruck „dass seine Schuld abgetragen ist” könnte man aus dem Hebräischen auch übersetzen mit „es hat für seine Sünden bezahlt.” Statt um Gnade oder Vergebung geht es hier vielmehr darum, dass Gott sein Gericht an Israel abgeschlossen hat. Er handelt an seinem Volk nicht mehr so, wie es seinen Sünden entsprechen würde. Gott fordert die Welt dazu auf, Israel Folgendes zuzurufen: Dein Kriegsdienst und die Zeit des Gerichts sind vorbei! Eine neue Zeit der Wiederherstellung ist angebrochen!


Ganz ähnlich formuliert es Sacharja: „Nun aber will ich für den Rest dieses Volkes nicht wie in den früheren Tagen sein, spricht der HERR der Heerscharen… Ebenso wie ich mir vorgenommen hatte, euch Böses zu tun, als eure Väter mich zum Zorn reizten, spricht der HERR der Heerscharen, und ich es mir nicht leid tun ließ, so habe ich mir wieder vorgenommen, in diesen Tagen Jerusalem und dem Haus Juda Gutes zu tun. Fürchtet euch nicht.” (Sacharja 8,11-15) Das bedeutet, dass Gott einen unumkehrbaren Wiederherstellungsprozess eingeleitet hat. Er stellt eine radikale Veränderung in seinem Verhalten zu Israel dar. Das bedeutet nicht, dass er Israel nie wieder korrigieren würde, wie ein liebender Vater es seinem Sohn gegenüber tut, doch es wird „mit rechtem Maß“ geschehen (Jeremia 30,11).

 

Der Weg zur Erlösung

Schließlich stellt die Annahme, dass Israel seinen Messias nur durch eine weitere Zeit schweren Gerichts empfangen wird, den Charakter Gottes und sogar der Menschheit falsch dar. Normalerweise führen große menschliche Katastrophen nicht zur Buße, sondern zum genauen Gegenteil. Nach der schlimmsten aller Plagen verhärtete der Pharao sein Herz nur noch mehr. Das Buch der Offenbarung zieht eine Parallel zur Endzeit und beschreibt die Menschheit in einem Zustand hoffnungsloser Rebellion gegen Gott – selbst nachdem sein großer Zorn sich über sie ausgießt: „…und lästerten den Gott des Himmels wegen ihrer Schmerzen und wegen ihrer Geschwüre, und sie taten nicht Buße von ihren Werken.“ (Offenbarung 16,11)

Das katastrophale Gericht, das im Jahr 70 n.Chr. über Israel hereinbrach, war nicht Gottes Art, sein Volk zu sich zurückzurufen; vielmehr war es ein Ausdruck dessen, dass das Maß ihrer Sünden voll war und nach göttlicher Gerechtigkeit verlangte. Jesus erklärte: „Seht, euer Haus wird verlassen sein und verwüstet daliegen.“ (Matthäus 23,38)

 

In ähnlicher Art und Weise führte die große Tragödie des Holocaust nicht dazu, dass die meisten Juden Gott gesucht hätten. Sie fragten vielmehr: „Wo war Gott?“ Viele von ihnen verloren ihren Glauben. Wie ein Holocaustüberlebender mir einmal sagte: „Für mich ist Gott in Auschwitz gestorben.“ Der Apostel Paulus erklärte andererseits, dass uns „die Güte Gottes zur Umkehr leitet.” (Römer 2,4)

 

Gott erlöst sein Volk, indem er seinem Bund treu bleibt und es in seiner ewigen Lieben wiederherstellt (Jeremia 31,2). Im Gegensatz dazu besteht die Botschaft, die Gott in unseren Tagen an die Nationen richtet, nicht darin, dass er Israel weiteres Gericht ankündigen würde. Vielmehr erklärt er: „Höret, ihr Völker, des HERRN Wort und verkündet's fern auf den Inseln und sprecht: Der Israel zerstreut hat, der wird's auch wieder sammeln und wird es hüten wie ein Hirte seine Herde. „(Jeremiah 31,10) Das kann natürlich auch wohlüberlegte erzieherische Maßnahmen durch den Stab des guten Hirten beinhalten, doch diese Disziplinierung wird das Volk auf grüne Weiden führen.

 

Zu diesem Auftrag sieht sich die Christliche Botschaft verpflichtet: Israel und den Nationen Gottes Gnade und seine Treue zu verkündigen. Wir erklären, dass eine neue Zeit der Wiederherstellung angebrochen ist. Wir fordern die Christenheit dazu auf, mit Gott an diesem großen Werk der Wiederherstellung Israels zusammenzuarbeiten. Unsere Berufung besteht darin „Gottes Volk zu trösten“ und Israel zu verkündigen, dass ein neues Kapitel begonnen hat. Es wird nicht zu weiterem Gericht führen, sondern dazu, dass ganz Israel gerettet wird!

Der Bundestagsbeschluss zu Israels Annexionsplänen

Der Deutsche Bundestag hat am Mittwoch die Annexionspläne der israelischen Regierung als „im Widerspruch zu internationalem Recht“ kritisiert und die israelische Regierung dazu aufgefordert, die Pläne fallen zu lassen. Eine Verurteilung Israels oder gar Strafmaßnahmen lehnte eine Mehrheit der Abgeordneten jedoch ab. Sie forderten stattdessen die Bundesregierung dazu auf, sich innerhalb der EU gegen „einseitige Sanktionen oder Sanktionsforderungen“ einzusetzen. Für den von CDU/CSU und SPD eingereichten Antrag stimmten neben den Koalitionsfraktionen auch ein Teil der FDP-Abgeordneten. Grüne, Linke, AFD und einzelne FDP-Abgeordnete enthielten sich.

Im Vorfeld des Bundestagsbeschlusses zu Israels Annexionsplänen vom 1. Juli 2020 hat die ICEJ-Deutschland folgenden Brief an Mitglieder des Deutschen Bundestages geschrieben.

Foto: Pixabay, Symbolbild

 

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

anlässlich der aktuellen Beratungen des deutschen Bundestags zur Nahost-Politik und mehrerer Anträge verschiedener Parteien zu diesem Thema möchten wir Ihnen als Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ) - Deutscher Zweig e.V. folgende Gedanken zukommen lassen.

Wir begrüßen ausdrücklich die Absicht des deutschen Bundestages, sich zu Deutschlands Freundschaft und Verpflichtung gegenüber Israel zu bekennen und Sanktionen gegen Israel entgegenzutreten. Angesichts der Forderungen zahlreicher Staaten, Israel mit schweren Sanktionen zu belegen, ist ein deutliches Signal des deutschen Bundestages gegen die Isolierung Israels notwendiger denn je.

Eine Isolierung Israels würde den Frieden im Nahen Osten nicht fördern und könnte der Koexistenz von Israelis und Palästinensern schaden. Insbesondere würde die palästinensische Zivilbevölkerung unter Sanktionen leiden. Mehr als 100.000 Palästinenser, rund 20% der Beschäftigten, arbeiten in jüdischen Betrieben und Einrichtungen in Israel und im Westjordanland (Judäa und Samaria). Sie verdienen dort ein Vielfaches des Durchschnittsgehalts in den Palästinensergebieten. Da ein palästinensischer Arbeiter mit seinem Gehalt bis zu zehn Angehörige versorgt, sind rund eine Million Menschen von diesen israelischen Arbeitsplätzen abhängig. Außerdem arbeiten in diesen Betrieben Palästinenser und Israelis Seite an Seite. Es sind Orte der Begegnung und der Verständigung. Sanktionen gegen Israel würden die Lebensgrundlage dieser einen Million Palästinenser und diese friedliche Verständigung gefährden.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, seit Jahren ohne demokratische Legitimation im Amt, lehnt eine solche Koexistenz ab. 2013 erklärte er, es werde kein Israeli, auch keine Zivilisten, in einem künftigen Palästinenserstaat geduldet werden. Dies entspricht nicht unserem Verständnis eines Miteinanders verschiedener Völker und kann nicht das Ziel deutscher Außenpolitik im Nahen Osten sein.

Ein solcher Palästinenserstaat wäre das Ende der gewachsenen nachbarschaftlichen Koexistenz zwischen Israelis und Palästinensern. Auch würde der Zugang zu israelischen Arbeitsplätzen erschwert, wenn nicht sogar unmöglich werden. Bis zu einer Million Palästinenser wären ihrer Lebensgrundlage und Perspektive beraubt. Beides würde Radikalisierung und Terror begünstigen.

Auch die Sicherheit Israels wäre nicht mehr gewährleistet. Wie bereits vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 bestünde die Gefahr, dass Israels dicht besiedelter Küstenstreifen - in dem rund vier Millionen Menschen leben - aus den militärstrategisch bedeutsamen Bergen Judäas und Samarias mit Raketen beschossen würde. Dass dies ein realistisches Szenario ist, belegt nicht nur Mahmud Abbas‘ Ablehnung friedlicher Koexistenz, sondern auch Israels leidvolle Erfahrung nach dem vollständigen Abzug aus dem Gazastreifen 2005. Die seit 2007 dort herrschende islamistische Terrororganisation Hamas unterdrückt nicht nur die eigene Bevölkerung, sondern terrorisiert und traumatisiert die in Südisrael lebenden Israelis mit andauerndem Raketenbeschuss.

Wir bitten Sie eindringlich, wirken Sie Sanktionen und Verurteilungen Israels durch unsere Partner in der EU und bei den Vereinten Nationen entgegen. Unterstützen Sie die bereits langjährig bestehenden Initiativen und Orte der Koexistenz. Nur durch Begegnungen im Alltag ist gegenseitige Verständigung möglich und nur so kann langfristig Frieden, Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten geschaffen werden.

Wir begrüßen sehr, dass Sie im Mai 2019 die israelfeindliche BDS-Kampagne verurteilt haben. Bitte handeln Sie nun mit derselben Entschlossenheit.

Hochachtungsvoll

Gottfried Bühler

Erster Vorsitzender ICEJ Deutscher Zweig


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„Israel“ aus der Bibel löschen?

Im April berichteten Christen in Dänemark von einer neuen Bibelübersetzung der dänischen Bibelgesellschaft, die hunderte Erwähnungen „Israels“ im Alten wie im Neuen Testament weglässt oder ersetzt.

„Israel“ mehr als 250-mal „bearbeitet“

In der „Zeitgenössischen Dänischen Bibel 2020“ ist bei 58 der rund 60 Nennungen Israels im Neuen Testament je nach Gebrauch „Israel“ weggelassen oder mit „Juden“ bzw. „Land der Juden“ oder anderen Ausdrücken ersetzt worden. So wurde Matthäus 15,31 „und sie priesen den Gott Israels“ zu „und sie priesen Gott“ geändert. Im Alten Testament wurde „Israel“ an rund 200 Stellen ersetzt, ca. 10% aller Nennungen Israels. Hier wird z.B. Psalm 121,4: „Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht“ in der „Bibel 2020“ mit „siehe, unser Hüter schläft noch schlummert nicht“ wiedergegeben.

Die dänische Bibelgesellschaft betont, man beabsichtige mit der „Bibel 2020“, säkulare und kirchenfremde Menschen, denen zahlreiche biblische Ausdrücke fremd seien, mit der Liebe Gottes zu erreichen. Die Leser sollen nicht irrtümlicherweise das biblische Israel mit dem heutigen Israel verwechseln. Dies rechtfertigt jedoch niemals einen solchen Angriff auf die Unversehrtheit der Heiligen Schrift und ihren ewigen Wahrheitsgehalt. Da die meisten nationalen Bibelgesellschaften weltweit die breite Unterstützung gläubiger Christen genießen, ist es wichtig, dass wir angesichts dieser fehlgeleiteten Bibelübersetzung unsere Stimme erheben.

Direkt zur Petition an die dänische Bibelgesellschaft

Die Unantastbarkeit der Heiligen Schrift

Zuerst müssen wir respektieren, dass die Heilige Schrift unantastbar ist – ihre eigentliche, wesentliche Bedeutung darf niemals verändert werden. In Jeremia 1,12 lesen wir, dass Gott selbst über seinem Wort wacht und dass er danach handeln wird. Über Jahrtausende hinweg hat das Volk Israel die Bibel, die mehrheitlich von jüdischen Autoren niedergeschrieben wurde, mit großer Sorgfalt erhalten und bewahrt. Ein Beispiel dafür sind die Schriftrollen vom Toten Meer, die Mitte des 20. Jahrhunderts bei Qumran entdeckt wurden. Sie belegen, dass die Heilige Schrift, die wir heute in unseren Händen halten, mit den mehr als 2.000 Jahre alten Texten von Qumran übereinstimmt. Nichts wurde verändert.

Die Übersetzung der Bibel in andere Sprachen kann viele Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere, wenn es um bestimmte hebräische und griechische Worte geht, die weniger gebräuchlich sind oder mehrere Bedeutungen haben. Aber „Israel“ ist „Israel“ und es besteht kein Bedarf und kein Grund, dies jemals zu ändern.

Israels Rolle in Gottes Heilsplan

Zweitens ist es nicht möglich, die Nation und das Volk Israel aus ihrer zentralen Rolle zu entfernen, die sie in Gottes Heilsplan für die gesamte Menschheit innehaben, was in den hebräischen und griechischen Schriften durchgehend bestätigt wird. Das Neue Testament stimmt mit dem Alten Testament überein, dass Gottes Erwählung des Landes und des Volkes Israel untrennbar zusammengehören und weiterhin Bestand haben. Die dänische Bibelgesellschaft jedoch versucht, diese Verbindung im Verständnis der Menschen zu durchtrennen. Dies würde die vielen Verheißungen Gottes zur endzeitlichen Wiederherstellung Israels wirkungslos machen und würde bedeuten, dass Gott untreu oder nicht vertrauenswürdig ist, seine Versprechungen zu halten. Dies würde Gott als Lügner darstellen!

Es ist eine Sache, biblische Passagen so zu interpretieren, dass man das jüdische Volk seiner einzigartigen Rolle in der Heiligen Schrift oder seines unwiderruflichen Erbteils im Land Israel beraubt. Dies ist ein schwerer Fehler, den viele Christen seit Jahrhunderten begehen. Aber biblische Passagen so zu übersetzen, dass Schlüsselverweise auf Israel entfernt werden, ist eine noch viel größere Verzerrung. Wo wird dies enden? Wird eines Tages das Wort „Gemeinde“ mit dem Namen einer politischen Bewegung ersetzt werden? Oder wird man den Namen Jesus mit dem Namen eines falschen Erlösers ersetzen?

Der „Gott Israels“

Auch würde man Gott seiner eigenen Identität berauben, da er sich wiederholt selbst als „Gott Israels” bezeichnet (vgl. 2. Mose 5,1; 2. Samuel 12,7; Psalm 72,18; Jesaja 45,3; Jeremia 31,23; Hesekiel 44,2; Maleachi 2,16; Matthäus 15,31; Lukas 1,68; Apostelgeschichte 13,17). Er war der Gott eines alten Volks namens Israel, aber er gab diesem Volk auch ein besonderes Land als „ewigen Besitz” (1. Mose 17,8), pflanzte es in dieses Land, damit es zu einer einzigartigen Nation auf Erden würde, und versprach, in diesem Land über dieses Volk zu wachen. Einige mögen nicht einverstanden sein mit dem, was die heutige Nation Israel tut, aber Gott hat das jüdische Volk in sein ewiges Heimatland gebracht, um dort große und wunderbare Dinge mit ihm zu wirken, die der ganzen Welt zum Segen sein werden.

Das internationale Netzwerk der Bibelgesellschaften ist in der christlichen Welt hoch angesehen dafür, dass es seiner wichtigen Mission nachkommt, Gottes Wort allen Völkern und Nationen in ihrer Muttersprache zugänglich zu machen. Aber die dänische Bibelgesellschaft hat sich nun mit diesen beunruhigenden und inakzeptablen Handlungen nicht mit Ruhm bekleckert. Sie muss die Unversehrtheit der Heiligen Schrift anerkennen, indem sie diese höchst fehlerhafte Bibelübersetzung aus dem Umlauf nimmt.

Stellen Sie sich heute an die Seite Israels und des Wortes Gottes!

Im Lauf der Geschichte hat es immer wieder Versuche gegeben, die Bibel zu verändern und Israel und das jüdische Volk aus der Bibel zu entfernen – auch in Deutschland. Stellen wir uns heute an die Seite Israels und des Wortes Gottes!

Zur Petition an die dänische Bibelgesellschaft

Weitere Informationen zur "Bibel 2020" finden Sie bei der Bibelgesellschaft in Israel (auf Englisch).


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Stellungnahme der ICEJ zu Israels Annexionsplänen

Seitdem die neue israelische Regierung nun endlich vereidigt wurde, ist die Debatte, ob Israel Teile Judäas und Samarias gemäß der Bedingungen des Trump-Friedensplans „annektieren“ sollte, in vollem Gange – im Inland wie im Ausland.

Foto: GPO: Benjamin Netanjahu und Donald Trump, 28. Januar 2020

Inmitten der sich entwickelnden Debatte respektiert die Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ) die israelische Demokratie und das Recht der israelischen Staatsbürger, über diese weitreichenden nationalen Angelegenheiten zu entscheiden. Dennoch ist uns bewusst, dass nicht jeder Israel denselben Respekt entgegenbringen wird. Daher stehen wir zu Israels historischem Anspruch auf die betreffenden Gebiete und Israels Recht, diese Entscheidungen frei von unberechtigten Einmischungen, Druckausübungen oder Drohungen zu treffen.

Der Ausdruck „Annexion“ ist in diesem Fall genau genommen eine Fehlbezeichnung, da er üblicherweise die gewaltsame Einnahme des Gebiets eines anderen bezeichnet. Jedoch hatte Israel bereits einen legitimen historischen Anspruch auf Judäa und Samaria, noch bevor es 1967 in einem Akt der Selbstverteidigung in Besitz dieses Gebiets gekommen ist. Die Frage, die sich Israel nun stellt, ist, ob es seinen Souveränitätsanspruch voll geltend macht, indem es seine Rechtsprechung auf bestimmte Teile dieses Gebiets ausweitet.

Der Anspruch des jüdischen Volks auf das Land Israel wurde von der internationalen Gemeinschaft auf der San Remo Konferenz 1920 und in den Mandatsentscheidungen des Völkerbunds 1922 anerkannt. Dabei handelte es sich nicht um das Erteilen eines neuen Rechtsanspruchs auf das Land, sondern um die Anerkennung des bereits existierenden Anspruchs des jüdischen Volks: Als alteingesessenes Volk war es darum bemüht, seine nationale Souveränität im Land seiner Vorfahren wiederherzustellen. Dieses Recht auf Souveränität über das Land Israel – einschließlich der Gebiete, die heutzutage oft Westjordanland genannt werden, – ist seitdem weder aufgehoben noch für ungültig erklärt worden.

Faktisch ist Israels völkerrechtlicher Anspruch auf Judäa und Samaria heutzutage genauso gültig wie die Souveränitätsansprüche des Libanons, Syriens und des Iraks auf ihre jeweiligen Länder, denn ihr Besitzanspruch entstammt demselben Ursprung. Das heißt, dieselben Entscheidungsträger beschlossen in denselben grundlegenden Vorgängen, die jeweiligen Rechte dieser Nationen basierend auf denselben Rechtsgrundsätzen anzuerkennen.

Ihrem Wesen nach schließt Souveränität auch das Recht mit ein, Gebiete abzutreten. Das israelische Volk muss nun entscheiden, ob es sein Recht auf bestimmte Teile Judäas und Samarias geltend macht und andere Gebiete den Palästinensern, die ebenfalls einen Anspruch erheben, um des Friedens willen abtritt. Traurigerweise wurden bisherige Bestrebungen Israels, Frieden durch die Abtretung umstrittener Gebiete an die Palästinenser zu erreichen, mit Ablehnung, Gewalt und Blutvergießen beantwortet.

Der Trump-Friedensplan stellt eine klare Abkehr von diesen gescheiterten Friedensbemühungen der Vergangenheit dar. Er kehrt den Trend der vergangenen Jahrzehnte, in denen die internationale Gemeinschaft nach und nach Israels Rechte und Standpunkte aushöhlte, ohne Zugeständnisse seitens der Palästinenser einzufordern, um. Er stellt auch – zum ersten Mal – die wahren Absichten der Palästinenserführung auf den Prüfstand.

Der Trump-Plan bietet Israel viele Vorteile. Aber er würde auch schmerzhafte Zugeständnisse verlangen und enorme Sicherheitsrisiken mit sich bringen. Es gibt zudem zahlreiche andere Faktoren, die zu berücksichtigen sind, wie die Auswirkungen in der Region und US-Präsident Donald Trumps Chancen auf eine Wiederwahl. Aber diese Entscheidungen muss das israelische Volk treffen. Wie sie auch ausfallen mögen, die Leitung und die weltweiten Unterstützer der ICEJ werden Israel in einer verantwortungsvollen, konstruktiven Rolle als treue Freunde und Unterstützer zur Seite stehen.

 


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Unterstützung für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem

Ein Freund liebt allezeit, und ein Bruder wird für die Not geboren.   (Sprüche 17,17) 

Liebe Freunde,

heute wende ich mich mit einem wichtigen Anliegen an Sie. Die Internationale Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat die wichtige Aufgabe, das Gedenken an den Holocaust zu bewahren und seine Bedeutung künftigen Generationen zu vermitteln. Für den weltweiten Kampf gegen Antisemitismus ist die Existenz Yad Vashems von größter Wichtigkeit. Darüber hinaus stellt sie sicher, dass die Leidensgeschichten der Holocaust-Überlebenden nicht vergessen werden und den Versuchen, den Holocaust zu leugnen, entschieden entgegengetreten wird. Doch bedingt durch die Corona-Krise ist der hervorragende Einsatz Yad Vashems im Kampf gegen den modernen Antisemitismus bedroht. Anfang Mai erhielt ich einen Brief von Avner Shalev, Vorsitzender der Direktion von Yad Vashem, und Shaya Ben Yehuda, Direktor für internationale Beziehungen Yad Vashems, in dem sie um unsere Solidarität und partnerschaftliche Unterstützung bitten.

Foto: ICEJ, Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem

Folgen der Corona-Schließung

Mit dem Ausbruch des Coronavirus in Israel musste Yad Vashem Mitte März wie andere israelische Organisationen auch auf Anordnung der Regierung die Türen für Besucher und den Großteil der Mitarbeiter schließen. Yad Vashems Leitung setzt dennoch alles daran, den Kernauftrag des Holocaustgedenkens in aller Welt weiterhin treu auszuführen und gleichzeitig die Gesundheit und das Wohlergehen der engagierten, professionellen Mitarbeiter zu schützen. In den letzten zwei Monaten wurden Yad Vashems Aktivitäten erheblich eingeschränkt. Zudem hat die israelische Regierung ihre Unterstützung für viele Einrichtungen, darunter Yad Vashem, gekürzt.

Shalev und Ben Yehuda berichteten, dass das Budget Yad Vashems für 2020 bereits erheblich gekürzt, Abläufe so effizient wie möglich gestaltet und nicht dringend notwendige Aktivitäten ausgesetzt wurden. Im März und April war es noch möglich, allen Mitarbeitern ihr Gehalt zu zahlen. Doch nun musste Yad Vashem mit großem Bedauern zu einschneidenden Maßnahmen greifen, u.a. sind ein Teil der Mitarbeiter bis Ende August in unbezahlten Urlaub geschickt worden. „Die COVID-19-Krise hat unsere Einnahmen durch Besucher und aus anderen Quellen versiegen lassen“, schreiben Shalev und Ben Yehuda. „Zu diesem Zeitpunkt können wir nicht davon ausgehen, dass unsere Aktivitäten oder Einnahmen in den kommenden Monaten wieder das Niveau vor der Krise erreichen.“

Mehr als ein Museum

Yad Vashem ist viel mehr als ein Holocaustmuseum, es ist ein Bildungszentrum. Neben dem weltweit größten Holocaustarchiv gehören auch ein erstklassiges Forschungsinstitut, eine Publikationsabteilung, eine renommierte Bibliothek und die Internationale Schule für Holocaust-Studien zu Yad Vashem. Durch diese verschiedenen Abteilungen auf dem „Berg der Erinnerung“ wird sichergestellt, dass nicht nur der Opfer des Holocaust gedacht, sondern dass auch der moderne Antisemitismus entlarvt und bekämpft wird.

Seit 2006 ist die ICEJ mit Yad Vashem in einer strategischen Partnerschaft verbunden. Damals wurden die „Christlichen Freunde Yad Vashems“ (CFYV) als christliche Abteilung in Yad Vashem gründet, um die besondere Liebe der Christen zu Israel und dem jüdischen Volk und unsere Verantwortung angesichts der schrecklichen Verbrechen des Holocaust auszudrücken. Nach Jahrhunderten des christlichen Antisemitismus ist dies ein Wunder! Die ICEJ fördert seit Jahren Bildungsprojekte der CFYV wie internationale Konferenzen und Schulungen für christliche Leiter, Pastoren, Pfarrer und Pädagogen zum Thema Holocaust und Antisemitismus. Wir schätzen es sehr, dass wir dabei mit Shaya Ben Yehuda und Sara Granitza, Direktorin der Christlichen Freunde Yad Vashems, in unerschütterlicher Partnerschaft eng verbunden sind.

Zeit für Solidarität

Gerade jetzt ist es ist äußerst wichtig, Antisemitismus in unserer Zeit zu erkennen und ihm entschlossen entgegenzutreten. Yad Vashem in dieser Krisenzeit zu unterstützen ist das Gebot der Stunde. Deshalb bitte ich Sie: Helfen Sie mit, unsere einzigartige christlich-jüdische Partnerschaft zu fördern, um die Erinnerung an die Opfer und Überlebenden des Holocaust aufrecht zu erhalten und aktiv gegen den weltweit wachsenden Antisemitismus vorzugehen. Lassen Sie uns auch im Gebet für Yad Vashem eintreten, dass der normale Betrieb schneller als gedacht wieder aufgenommen werden kann. Es wäre ein wichtiges Signal, dass gerade von christlichen Freunden aus Deutschland Solidarität gezeigt wird. Danke für Ihre Gaben und Gebete!

 

Herzlichst, Ihr

Gottfried Bühler

Erster Vorsitzender ICEJ Deutscher Zweig

 

Bitte helfen Sie in dieser Krisenzeit, dass würdiges Gedenken, Holocaust-Studien und Kampf gegen Antisemitismus fortgesetzt werden können. Als Verwendungszweck bitte „Yad Vashem“ angeben, herzlichen Dank!

 

Zum Spendenportal

ICEJ Deutschland

IBAN: DE63 5206 0410 0004 0202 00

BIC: GENODEF1EK1

 

 

ICEJ Österreich

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Die Tora – Wegweisung für ein Leben mit Gott

Im engeren Sinne bezeichnet das Wort „Tora“ die fünf Mose-Bücher der Bibel. Das hebräische Wort Tora wird in deutschen Bibeln fast überall mit „Gesetz“ übersetzt. Doch die Bibel ist ein orientalisches Buch. Im hebräischen Denken beinhaltet Tora viel mehr als Regeln und gute Ordnungen Gottes für ein gelingendes Miteinander im Bund mit ihm und untereinander.

Foto: Pixabay, Torarolle

Denken in Kreisen

Menschen in der westlichen Welt sind es gewohnt, logische Zusammenhänge herzuleiten, sie folgen meist einem geradlinigen Denkweg mit einer abschließenden Definition. In der orientalischen Kultur werden keine geradlinigen kausalen Zusammenhänge gesucht. Stattdessen wird ein Thema wieder und wieder umkreist, wie bei der Wanderung um einen Berg. Bei jeder Runde wird Neues entdeckt, von jeder Seite zeigen sich andere Perspektiven und Facetten. Im Laufe der Zeit entwickelt sich eine tiefe Beziehung zu diesem „Berg“. In der orientalischen Kultur geht es vor allem um Beziehung. Abstraktes ist der Sprache fremd, die geprägt ist von Beziehungsworten und Beziehungsbildern. Beim Umkreisen eines Themas kann nur gesagt werden, wo man sich im Moment auf dieser Reise befindet. Es ist klar, dass man weiter damit unterwegs sein, damit wachsen wird. Beziehung bleibt immer im Werden. Nie muss es eine endgültige Definition geben.

Das Denken in Kreisen ist kindlich und demütig genug, um das Begrenzte der eigenen Wahrnehmung und weiteres Dazulernen zu akzeptieren, ebenso die unterschiedlichen Sichtweisen anderer Wanderer um den gleichen „Berg“. Und es lässt sich in sehr persönlicher Weise auf Begegnung mit einem Thema ein, es ist keine distanzierte Theorie und braucht kein abschließendes „So ist es!“. Dementsprechend ist auch der Begriff Tora nicht mit einer einmaligen Definition erklärbar, vielmehr lädt er auf eine Entdeckungsreise ein.

Zielgerichtet durchs Leben führen

Sprachlich ist Tora abgeleitet von der hebräischen Wurzel j-r-hin eine Richtung zielen, werfen, verwandt mit den Worten horim – Eltern, und moreh, morah – Lehrer, Lehrerin. Schon hier wird deutlich, dass es nicht nur um Gebote und Verbote gehen kann. Eltern und Lehrer nehmen ein Kind an die Hand, um es ins Leben zu begleiten, und genau dazu hat Gott Tora gegeben. Wir können es besser mit Unterweisung, Lehre übersetzen. Tora ist Offenbarung Gottes, sei es in seinem Handeln an Menschen oder in der Festlegung dessen, was ihm wichtig ist. Die fünf Mose-Bücher erzählen von Gott als Schöpfer, Bundesgott, Erlöser, Versorger und davon, dass Gott Beziehung zu Menschen sucht, von seinen Wegen mit Noah, Abraham, Joseph, Mose und Israel.

Unterwegs sein mit Gott

In seinem Buch „Engel, Propheten und das gute Auge“ führt Horst Krüger aus, dass Tora weniger ein göttliches Gesetz ist als ein göttlicher Weg. Gehen mit Gott ist der älteste Ausdruck von Frömmigkeit, den wir bei Henoch, Noah und Abraham sehen. In 1. Mose 26,5 heißt es von Abraham, dass er Gottes Unterweisung (Tora) folgte, lange bevor das Gesetz am Sinai gegeben wurde. Auch Mose wollte Gottes Wege wissen: „‚Israel, was fordert der Herr … von dir, als … auf allen seinen Wegen zu gehen…‘“ (5. Mose 10,12). In der Apostelgeschichte werden die Gläubigen ‚die des Weges sind‘ genannt.

Geschenk Gottes

Juden feiern jedes Jahr zu Schawu´ot (Pfingsten) Gottes Geschenk der Tora am Sinai. Betrachten wir hier Tora im engeren Sinne als die „Gebote Gottes“, so fällt auf, dass sie nicht als Weg zur Erlösung gegeben wurden, sondern nach der Erlösung aus der Sklaverei in Ägyptens als Ausdruck der Freiheit und als Grundlage des gemeinsamen Weges im Bund mit Gott. Das Herzstück sind die „10 Worte“ (die hebräische Bibel nennt sie nicht die „10 Gebote“). Hier geht es um gelebte Beziehung mit Gott und untereinander. „Menschen brauchen für eine lebenswerte Gemeinschaft sittlich-moralische Regeln, darum lehrt die Tora Harmonie, Höflichkeit, Aufmerksamkeit und Reinheit, Rücksichtnahme auf Frauen, Schwache und Arme, Respekt vor Eltern und Vorgesetzten“, erläutert Horst Krüger. Psalmendichter und Sänger wie David „lobten das Gesetz des Herrn in den höchsten Tönen und wachten nachts auf, um über sein Gesetz nachzudenken und sich darüber zu freuen.“ Noch heute tanzen die Juden am Tora-Freudenfest im Herbst mit den Torarollen und preisen Gottes Tora in ihren täglichen Gebeten.

Grundlage der Bibel

Tora bildet die Grundlage für alles, was danach kommt. Die Propheten rufen das Volk immer neu in ein Leben unter Gottes Tora zurück, die Psalmen singen davon. Auch der Neue Bund in Jesus baut auf dem Boden der Tora auf, geht nicht darüber hinaus, sondern vertieft, erfüllt und macht ein Leben in den Bahnen von Gottes Tora erst richtig möglich. In Jeremia 31,31ff. lesen wir, dass Gott im Neuen Bund seine Tora direkt in Israels Herzen hineinschreibt, dass er Menschen von innen heraus verändert und so befähigt, in seinen Wegen zu laufen. In diesen Bund sind wir aus den Nationen als Quereinsteiger mit eingeladen.

Jesus – Dreh- und Angelpunkt der Tora

Leider wird der Begriff Tora in der Septuaginta und im Neuen Testament mit dem griechischen Wort nómos – Gesetz wiedergegeben, wie Horst Krüger ausführt. Die wohltuende Weite von Tora geht dabei verloren. Zusätzlich verstehen wir nómos automatisch vom Gesetzesbegriff unserer heutigen Kultur her, der anders geprägt ist als die Lebensordnungen Gottes in der Bibel. Eine weitere Herausforderung für Bibelleser ist, dass Paulus mit nómos oft Tora meint, manchmal aber auch das pharisäische Religionsgesetz. Hier müssen wir gut auf den Kontext achten. Jesus sagte von sich, er sei nicht gekommen, die Tora aufzulösen, sondern zu erfüllen (Matthäus 5,17). Die rabbinischen Fachbegriffe „Tora erfüllen“ und „Tora auflösen“ bedeuten „Gottes Wort tun“ bzw. „nicht tun“. Jesus intensiviert die Tora sogar, indem er z.B. Ehebruch schon beim gedanklichen Begehren ansetzt. In der Bergpredigt beschreibt er ein Leben in Gottes Tora (Matthäus 5,3 ff). Und Paulus verkündet in Römer 10,4 den Messias als Ziel und Zweck der Tora, d.h. als ihren Dreh- und Angelpunkt.

In der Tora Gott begegnen

Ich möchte Sie ermutigen, wieder einmal die gesamte Tora zu lesen und dabei mit unserem Gott ins Gespräch zu kommen. Fragen Sie ihn nach seinem Herzschlag und seinen Absichten, um ihn tiefer kennenzulernen und neu ins Staunen zu kommen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dabei auf eine neue Art auch Jesus‘ Herzschlag entdecken und ihm begegnen!

 

 


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Ein Lamm pro Haus

„Das diesjährige Passah wird anders sein als alle bisherigen Passahfeste“, erzählte mir neulich ein israelischer Freund. „Wir werden es alle Haus für Haus und Familie für Familie feiern. Besuche von anderen Verwandten sind nicht erlaubt.“

Die neuen Gesundheitsmaßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus‘ haben viele uralte Passah-Traditionen der jüdischen Bevölkerung in Israel zum ersten Mal verändert. Zu Passah fanden für gewöhnlich große Familientreffen statt, an denen sich alle gemeinsam trafen, um dieses wichtige Fest des Herrn zu feiern. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte neulich in seiner jährlichen Ansprache vor dem Passahfest, dass es dieses Jahr anders verlaufen würde: „[…] wir werden die Feier des Passahfestes wie unsere Vorväter in Ägypten gestalten – Passah zu Hause! Alle Väter und Mütter werden mit den Kindern, die in ihrem Zuhause leben, Passah feiern.“

Während mein Freund mit mir sprach, wurde ich an den ursprünglichen Beginn des Passahfestes erinnert, als Israel in Ägypten war. Gott befahl den Israeliten: „Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus“ (2. Mose 12,3).

Die Errettung von Familien

Das Konzept, dass alle Mitglieder eines Haushaltes erlöst werden, ist das Herzstück des biblischen Passah-Berichts. Das Blut des Passah-Lamms musste an die Türpfosten jedes jüdischen Hauses in Ägypten gestrichen werden. „Denn der HERR wird umhergehen und die Ägypter schlagen. Wenn er aber das Blut sehen wird am Türsturz und an den beiden Pfosten, wird er an der Tür vorübergehen und den Verderber nicht in eure Häuser kommen lassen, um euch zu schlagen“ (2. Mose 12,23). Das Blut des Passah-Lamms war ein Zeichen vor Gott, dass für den Haushalt, dessen Türpfosten damit bestrichen waren, Blut vergossen worden war, sodass die Bewohner darin verschont wurden. In gewisser Hinsicht haben die Corona-Maßnahmen – zumindest in diesem Jahr – eine zwingende Rückkehr zu den Traditionen bewirkt, wie sie vor rund 3.500 Jahren eingeführt wurden.

Zurück auf Anfang – diesen Eindruck hatte ich auch beim ersten Treffen unserer Gemeinde in Jerusalem nach Einführung der neuen Gesundheitsmaßnahmen. Wir kamen nicht wie sonst in unserem Gemeindesaal zusammen, sondern trafen uns zu Hause. Wir alle waren über die Internetplattform ZOOM verbunden, sangen Lobpreislieder und unser Pastor teilte seine Gedanken zu einem Bibeltext. Dann feierten wir gemeinsam das Abendmahl und ich sah auf dem Bildschirm, wie wir Brot und Wein wie jeden Monat miteinander teilten, nur eben von unseren Häusern aus.

„So haben es die ersten Gemeinden gemacht“, dachte ich mir. „Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen“ (Apostelgeschichte 2,46). Vor 2.000 Jahren stellten die verschiedenen Hausgemeinschaften den Kern der damaligen Kirche dar, der so kraftvoll war, dass er die gesamte Welt beeinflusste und veränderte.

Vor kurzem sprach ich mit einem Pastor aus China über die jüngste Welle an Repressalien, die die chinesische Regierung gegen die Gemeinden im Land verhängt hat. Seine Reaktion überraschte mich: „Das ist gut“, sagte er. „Die Freiheit der letzten Jahre hatte aus uns sehr ‚westliche‘ Kirchen gemacht. Wir hielten riesige Treffen ab, die von der Bühne aus gesteuert wurden. Jetzt sind wir dazu gezwungen, zurück in unsere Häuser zu gehen“, fügte er hinzu. „So ist die Erweckung nach China gekommen.“

Heute, inmitten der Coronakrise, ist mein Eindruck, dass Gott auch in unserem Leben den Reset-Knopf gedrückt hat. Wir sind gezwungen, zu dem wirklich Notwendigen zurückzukehren, zum Kern unserer Gesellschaft. Wir werden reduziert auf unsere Beziehungen zum Herrn und zu unseren Familien! Die Krise ist eine schwierige Zeit, die viele Leben kostet und Existenzgrundlagen nimmt, doch sie kann auch eine riesige Chance darstellen, die wir nicht verpassen sollten. An unsere Häuser gebunden zu sein ist wahrscheinlich ein seltener Moment, der sich uns womöglich nicht noch einmal bietet – eine Gelegenheit für Erneuerung und Neustart in unserer Beziehung zu Gott. Diese einzigartige Zeit sollte unser Gebetsleben, unsere Zeiten des Bibellesens und unsere Gemeinschaft in Gottes Gegenwart neu beleben.

Wir haben außerdem die Chance, uns wieder auf unsere Familien zu fokussieren. Sorgen Sie inmitten dieser ungewöhnlichen Zeit dafür, einen Altar in Ihrer Familie zu errichten. Gott beauftragte sein Volk damit: „Das Feuer auf dem Altar soll brennen und nie verlöschen“ (3. Mose 6,5). Lassen Sie mich Ihnen diese Frage stellen: Brennt das Feuer auf Ihrem Familienaltar? Nutzen Sie diese Zeit dazu, als Familie im Gebet zusammenzukommen und Gottes Wort zu studieren?

Denken Sie daran, bei Passah geht es um die Errettung von Familien. Bei der Berufung Noahs trug Gott ihm auf: „Geh in die Arche, du und dein ganzes Haus; denn dich habe ich für gerecht befunden vor mir zu dieser Zeit“ (1. Mose 7,1). Noah baute die Arche für sich und seine Familie. Jesus starb nicht nur für einzelne Personen, sondern für „dich und dein ganzes Haus“. Abraham wurde verheißen, dass in ihm alle „Familien“ der Erde gesegnet sein würden (1. Mose 12,3).

Auch Josua nahm bei seiner letzten Rede zum Volk Israel eine mutige und prophetische Stellung ein. Er war sich nicht sicher, ob Israel sich dazu entscheiden würde, Gott uneingeschränkt nachzufolgen. Trotzdem erklärte er, egal wie Israel sich entscheiden würde: „Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen“ (Josua 24,15). Nutzen Sie also diese einzigartige Zeit, um dieselbe Entscheidung für Ihr eigenes Haus zu treffen. Jesus ist das Lamm für Ihre Familie!

Unübliche Zeiten in Israel

Hier in Israel ist das diesjährige Passahfest anders als in jedem anderen Jahr, in dem ich es erlebt habe, und sehr wahrscheinlich auch anders als in allen vergangenen Jahren vor meiner Zeit in Jerusalem. Am ersten Tag des Monats Nissan (dieses Jahr der 26. März), in dem das Passahfest gefeiert wird, hat Israels Oberrabbiner zu einer Zeit der nationalen Buße vor den anstehenden Passah-Feiertagen aufgerufen. Er bezog sich darauf, dass nach 2. Mose 12,2 der Monat Nissan den Beginn des biblischen Jahres darstellt, und erklärte, dass diese Zeit wie die zehn Tage der Ehrfurcht von Rosch HaSchana bis Jom Kippur begangen werden sollte – mit Buße, Gebet und Fasten.

Israel zeigt heute als Nation nach außen hin eine Gottesfurcht, die sich von den meisten Nationen der Welt unterscheidet. In einem Fernsehinterview zur Corona-Krise wurde Premierminister Netanjahu kürzlich gefragt, was seine Botschaft an das israelische Volk inmitten dieses weltweiten gesundheitlichen Angstzustands sei. Seine Antwort brachte es auf den Punkt: „Zunächst müssen wir alle zu Gott beten, dass die Corona-Plage bald ein Ende hat.“ Der Journalist unterbrach ihn unhöflich und entgegnete, dass die Nation doch eher zum Weizmann-Institut für Wissenschaften beten solle, wo entscheidende Corona-Forschung betrieben wird. Daraufhin erwiderte Netanjahu: „Ja, aber auch im Weizmann-Institut wird gebetet.“ Ungewöhnliche Worte für einen Premierminister.

Einige Tage später nahm Netanjahu in seiner Ansprache zum Passahfest einen unüblichen Bezug zum Passah-Bericht aus 2. Mose, wo vom Blut auf den Türpfosten die Rede ist: „Wie beim Auszug aus Ägypten ist auch unser Auftrag klar. Und Gott wird an der Tür vorüberziehen und den Verderber nicht in eure Häuser kommen lassen, um euch zu plagen.“

Hier in Israel haben wir alle den Eindruck, dass wir momentan eine besondere Zeit erleben. Als mein Freund erzählte: „Wir werden es alle Haus für Haus feiern, Familie für Familie“, kam mir noch eine andere Stelle aus dem hebräischen Propheten Sacharja in den Sinn:

„Aber über das Haus David und über die Bürger Jerusalems will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets. Und sie werden mich ansehen, den sie durchbohrt haben, und sie werden um ihn klagen, wie man klagt um das einzige Kind, und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt um den Erstgeborenen. Zu der Zeit wird große Klage sein in Jerusalem, wie die um Hadad-Rimmon in der Ebene von Megiddo war. Und das Land wird klagen, ein jedes Geschlecht für sich: das Geschlecht des Hauses David für sich und die Frauen für sich, das Geschlecht des Hauses Nathan für sich und die Frauen für sich, das Geschlecht des Hauses Levi für sich und die Frauen für sich, das Geschlecht Schimis für sich und die Frauen für sich; so auch alle andern übrig gebliebenen Geschlechter, ein jedes für sich und die Frauen für sich“ (Sacharja 12,10-14).

Gott zeigte Sacharja, dass die Zeit der geistlichen Erneuerung und Offenbarung von ihm, „den sie durchbohrt haben“, Familie für Familie und Haus für Haus stattfinden würde. Noch nie in der Geschichte Israels gab es eine Zeit, in der das Passahfest auf solche Weise gefeiert wurde wie heute, jedes Haus für sich. Im Talmud wird die spannende Frage gestellt, um wen sie denn „klagen, wie man klagt um das einzige Kind“? Im Traktat Sanhedrin antworten die Weisen, dass es sich dabei um „Mosiach ben Joseph“ handle, der getötet wurde.

Die jüdische Tradition unterscheidet zwischen Mosiach ben David, dem königlichen Messias, der wie David über sein Volk regieren wird, und Mosiach ben Joseph, dem leidenden Messias, der getötet werden muss, um den königlichen Messias auf den Thron zu bringen.

Auch die christliche Tradition sieht Joseph im 1. Buch Mose als den größten Vorboten Jesu Christi. Nachdem er von seinen Brüdern verkauft worden war (und getötet werden sollte), wurde er zum Lebensretter und Erlöser unter den Heiden. Alle Welt reiste nach Ägypten, um bei Joseph Brot zu kaufen (1. Mose 41,57). So wie alle Nationen kamen, um Brot zu kaufen, erreichten ihn auch seine Brüder, die anderen Söhne Jakobs, um sich um seine Gunst zu bemühen. Doch sie erkannten ihren Bruder nicht, denn sein Aussehen, seine Sprache und sein Verhalten glichen dem eines Ägypters, eines Ausländers. Nachdem er seine Identität eine Zeit lang vor seinen Brüdern verborgen hatte, kam der Moment, an dem Joseph nicht mehr an sich halten konnte und sich endlich seinen Brüdern zu erkennen gab (1. Mose 45,1ff). Davor tat er aber etwas Interessantes: „[E]r rief: Lasst jedermann von mir hinausgehen! Und stand kein Mensch bei ihm, als sich Josef seinen Brüdern zu erkennen gab“ (1. Mose 45,1).

Anfang März fing Israel an, seine Grenzen und Einfuhrhäfen für Ausländer zu schließen – nur israelischen Staatsbürgern und Einwohnern mit Daueraufenthaltsgenehmigung wurde die Einreise gestattet. Niemand sonst durfte nach Israel einreisen und alle Besucher, die bereits im Land waren, mussten es verlassen. Auf ähnliche Weise gab sich Joseph seinen Brüdern zu erkennen – es war eine persönliche, intime Angelegenheit innerhalb der Familie ohne die Anwesenheit von Heiden.

Ich hätte mir nie ausmalen können, wie wohl Sacharja 12,14 und 1. Mose 45,1 erfüllt werden können. Ist dies die Zeit, in der sich diese Prophetien erfüllen? Ich weiß es nicht. In jedem Fall ist es aber eine nie dagewesene Generalprobe des glorreichen kommenden Tages. Wir leben wirklich in erstaunlichen Zeiten!

Schlussfolgerung

Zum Abschluss bitte ich Sie darum, in diesen Tagen für Israel zu beten wie nie zuvor. Wir feiern dieses Jahr ein ungewöhnliches Passahfest und wir beten und glauben, dass Gott mächtige und ungewöhnliche Dinge in unserer Mitte tun wird, wie in den Tagen der Bibel.

Darüber hinaus möchte ich Sie daran erinnern: In welchem Teil der Erde Sie diesen Text auch lesen, Jesus ist das Lamm für Ihr und mein Haus. Egal wie groß Ihre Familienprobleme auch sein mögen, Jesus ist es ein Leichtes, Ihnen darin mit seiner Hilfe zu begegnen. Vielleicht haben Sie die Hoffnung für enge Familienmitglieder aufgegeben, die dem Herrn nicht nachfolgen. Jesus ist das Lamm für ihre Familie. Beziehen Sie heute mutig Stellung und erklären Sie wie Josua: „Ich aber und mein Haus wollen dem HERRN dienen“. Der Herr segne Sie und antworte Ihnen, während Sie dies bezeugen!


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