Der Gesetzesentwurf, der sich gerade im irischen Parlament durchsetzt und den Handel mit Waren aus israelischen Siedlungen kriminalisiert, könnte nicht skandalöser sein! Als gebürtiger Deutscher und Bürger der Europäischen Union halte ich diesen Gesetzesvorschlag für vollkommen fehlgeleitet, extrem ungerecht, absolut kontraproduktiv für Friedensbemühungen und – dies vor allem – moralisch empörend. (Foto: Dr. Jürgen Bühler)
Diskriminierung von Juden
Der Gesetzesentwurf sieht eine Geldstrafe von bis zu 250.000 Euro oder fünf Jahre Gefängnis für den Import oder Verkauf von Waren und Dienstleistungen aus den „besetzten Gebieten“ vor. Aber die Unterstützer des Gesetzesentwurfs haben ihn sorgfältig und bewusst so formuliert, dass er nur für die „israelischen Siedlungen“ im Westjordanland (Judäa und Samaria), für Ost-Jerusalem und die Golanhöhen gilt. Diejenigen, die sich für diesen Gesetzesvorschlag einsetzen, haben das sehr klar gemacht und stolz verkündet, dass Irland Europa und die Welt aus dem gegenwärtigen Stillstand der Verhandlungen herausführe hin zum Frieden. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein!
Unterlaufen des Friedensprozesses
Der Gesetzesentwurf ist völlig fehlgeleitet, denn er führt auf einen falschen Weg, der keinen echten Frieden bringen kann. Die internationale Gemeinschaft hat den israelisch-palästinensischen Konflikt immer als eine Auseinandersetzung betrachtet, die letztlich von den beteiligten Parteien selbst gelöst werden muss. Von Resolution 242 an erfolgte jede Entscheidung des UN-Sicherheitsrats zu dieser Auseinandersetzung unter Artikel 6 der UN-Charta, bei dem es um freiwillige Konfliktlösung geht. Alles war darauf ausgerichtet, den Parteien einen Weg zum Frieden vorzuschlagen und beide Seiten zu ermutigen, ihre Differenzen in direkten Gesprächen zu klären. Dieser Ansatz half dabei, die von der EU unterzeichneten Osloer Verträge hervorzubringen, gemäß denen das rechtliche Schicksal der Siedlungen einem finalen Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern überlassen wird.
Aber die irische Republik versucht jetzt, eine Lösung einseitig zu erzwingen, als ob die Resolution 242 und ihre Nachfolger nach Artikel 7 der UN-Charta beschlossen worden wären – Resolutionen nach Artikel 7 sind bindend und können einer Nation aufgezwungen werden. Inwiefern bringt es uns dem Frieden näher, wenn jemanden in ein irisches Verlies geworfen wird, weil er eine Flasche des international preisgekrönten Shiraz vom Psagot-Weingut oder eine mit Gold ausgezeichnete Flasche Cabernet Sauvignon vom Weingut Tura kauft? Eine Hausfrau, die Salat mit Olivenöl aus Silo zubereitet oder vielleicht eine Nachspeise mit Erdbeeren oder Dattel aus dem Jordan Tal, könnte unwissentlich ihre Familie finanziell ruinieren. Wird ein judenhassender Nachbar solche verbotene Ware in ihrer Küche entdecken und die Familie bei den irischen Behörden anzeigen? Wie kann man jemals solch ein absurdes Strafrecht gut durchsetzen?
Der Gesetzesentwurf ist auch kontraproduktiv für den Frieden, weil er die palästinensische Unnachgiebigkeit belohnt. Welchen Anreiz hätten die Palästinenser jetzt noch, Zugeständnisse zu machen, wenn sich aller Druck ausschließlich gegen Israel richtet und alle Schuld ausschließlich dem jüdischen Staat zugerechnet wird? Sind die Juden, die in das Herz ihrer alten Heimat zurückgekehrt sind, eine größere Gefahr für den Weltfrieden als die Palästinenser und die arabischen Nachbarn, die Israel seit Jahrzehnten gewaltsam angreifen?
Irisches Gesetz schadet Palästinensern am meisten
Dieses Strafrecht würde außerdem Palästinensern am meisten schaden. Wie der Soda-Stream-Vorfall deutlich gemacht hat, beschäftigen viele Geschäfte und Fabriken in den israelischen Siedlungen palästinensische Arbeiter und zahlen ihnen im Durchschnitt vierfach höhere Gehälter, als Palästinenser sonst üblicherweise verdienen. Diese Brötchenverdiener müssen oft große, weitreichende Familienzweige unterstützen. Deshalb könnten zehntausende Palästinenser betroffen sein, sollten die israelischen Unternehmen diese Arbeiter entlassen und mit ihren Betrieben an einen anderen Standort umziehen müssen.
Der Gesetzesentwurf ist auch deshalb fehlerhaft, weil er dem Handelsverständnis der Europäischen Union widerspricht, wonach internationaler Handel von Brüssel definiert wird und nicht von einer einzelnen nationalen Regierung. Außerdem würde dieses Gesetz amerikanische und irische Unternehmen, die im jeweils anderen Land Geschäfte tätigen, zwingen, sich zu entscheiden, entweder dieses irische Gesetz zu verletzen oder gegen die Anti-Israel-Boykott-Gesetze zu verstoßen, die in den USA in den letzten Jahren sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene erlassen wurden.
Moderner Antisemitismus
Aber das ist noch der am wenigsten ärgerliche Aspekt dieses Gesetzes. Wirklich abstoßend ist der unverhohlene Antisemitismus, der aus diesem irischen Gesetz spricht, weil es sich nur gegen jüdische „Besetzer“ richtet und nicht gegen irgendeine andere Besatzungsmacht der Welt. Wie kann etwas, das so offensichtlich diskriminierend ist, in Wahrheit gerecht sein, wie die irischen Unterstützer behaupten? Was ist mit Olivenöl vom türkisch-besetzten Teil Zyperns, Fisch von der russisch-besetzten Krim oder Datteln aus der marokkanisch-besetzten Westsahara? Alle diese Produkte dürfen problemlos in die Eurozone importiert werden, während Juden wieder einmal eine Lektion erteilt werden muss.
In meinen Augen katapultieren uns diese irischen Gutmenschen direkt zurück zu den rassistischen Gesetzen der 1930er Jahre in Deutschland. „Kauft nicht bei Juden!“, so lautete das Gesetz damals und genau das ist es, was auch dieses Gesetz irischen Bürgern heute sagt – es ist nur in eine nett polierte Juristensprache und das Lippenbekenntnis zur Förderung des Friedens und „europäischer Werte“ gekleidet.
Stoppt dieses einseitige, rassistische Gesetz!
Im Namen aller nationalen Zweigstellen und Mitglieder der ICEJ in Europa fordere ich die Europäische Union dazu auf, diesen rassistischen Gesetzentwurf zu verurteilen und sich klar dagegen zu positionieren. Während ich diese Zeilen schreibe, begehen wir den Internationalen Holocaust-Gedenktag, und wenn wir wirklich etwas aus dem Völkermord der Nazis an den Juden gelernt haben, wird Europa diesen Versuch zurückweisen, einseitig Juden zur Bestrafung herauszugreifen.
Ich möchte die irischen Gesetzgeber außerdem auf einen wichtigen Punkt aufmerksam machen: Wenn sie wirklich besorgt und bemüht sind um einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten, dann sollten sie sich gerade die israelischen Unternehmen zum Vorbild nehmen, die im Westjordanland diese gut bezahlten Job für palästinensische Arbeiter anbieten. Denn gerade sie sind das beste Beispiel dafür, wie gute Koexistenz und Toleranz bestmöglich unter den gegebenen Umständen aussehen können. Hier verdienen Juden und Palästinenser nicht nur die gleichen Gehälter, sondern haben oft auch dieselben Bildungschancen. Es sind Orte, die sich im Alltag bewährt haben, hier erlebt man Kooperation und eine friedliche Koexistenz. Darum verdienen sie europäische Unterstützung und Investition, statt abgewürgt zu werden. Deshalb stoppe bitte diesen Unsinn, Irland!