von Ester Heinzmann
In Israels Norden ist eine besondere Minderheit des jüdischen Staats beheimatet: die Drusen. Die Drusen sind eine arabischsprechende, ethnisch-religiöse Gruppe, die ihren Ursprung im schiitischen Islam hat. Im 11. Jahrhundert spaltete sie sich von den Ismailiten ab und entwickelte eine eigenständige Geheimreligion. Von den weltweit zwischen 800.000 und zwei Millionen Drusen leben etwa 147.000 in Israel (weitere 600.000 in Syrien, 250.000 im Libanon). 80% der Drusen in Israel leben in Galiläa und auf den Golanhöhen, 19% in der Region um Haifa. (Foto: IMOT/Itamar Grinberg, Ein drusischer Mann bereitet Kaffee zu)
Wer sind die Drusen?
Drusen leben streng endogam, d.h. sie heiraten nur innerhalb ihrer Gemeinschaft. Eine Konversion zum drusischen Glauben gibt es nicht, eine Abkehr führt i.d.R. zum Ausschluss aus der Gemeinschaft. Ihr Glaube und ihre Traditionen vereinen Elemente u.a. des Islam, des Hinduismus, des Zoroastrismus, der Esoterik sowie griechischer Philosophie. Eines der zentralen Merkmale ist der Glaube an die Reinkarnation der Seele. Adam, Noah, Jesus, Mohammed und andere werden als Propheten verehrt. Auch Philosophen wie Plato und Socrates nehmen eine wichtige Stellung ein. Besonders verbunden fühlen sich die Drusen mit dem auch im Islam verehrten Schu‘aib von Midian, der oft mit dem biblischen Jethro, Moses Schwiegervater, gleichgesetzt wird. Jedes Jahr zwischen dem 24. und 28 April pilgern Israels Drusen zu seinem Grab nahe des Sees Genezareth.
Der Staat Israel erkennt den drusischen Glauben als eigenständige Religion an, drusische Gerichte regeln persönliche Angelegenheiten der Gläubigen wie z.B. Heirat oder Scheidung für ihre eigene Gemeinschaft (ebenso wie Juden, Christen und Muslime).
„Blutsbund“ verbindet Juden und Drusen
Drusen sind traditionell loyale Bürger des Staats, in dem sie leben. Dies ist auch in Israel nicht anders. Immer wieder hört man die Aussage, Juden und Drusen seien durch ein „Blutsbund“ miteinander verbunden. Damit soll der außerordentliche Beitrag drusischer Israelis für die Verteidigung des Landes gewürdigt und die langjährige Verbundenheit ausgedrückt werden, die bis in die Zeit vor der Staatsgründung Israels zurückreicht. Während der jüdisch-arabischen Konflikte in der Mandatszeit blieben die im Heiligen Land lebenden Drusen mehrheitlich neutral. Den arabischen Nationalismus lehnten sie ab. Dies rief Feindseligkeit der Araber hervor, was wiederum zu einer jüdisch-drusischen Waffenbrüderschaft führte. Bereits im Unabhängigkeitskrieg 1948-49 kämpften drusische Freiwillige Seite an Seite mit den Juden. Seit 1959 werden drusische Männer, auf expliziten Wunsch der drusischen Oberhäupter, wie ihre jüdischen Landsmänner zum dreijährigen Wehrdienst eingezogen.
In der jüdischen Mehrheitsgesellschaft sind die Drusen als legendäre Soldaten hoch angesehen und sehr geschätzt. Etwa 83% der drusischen Männer dienen in der israelischen Armee, geschätzte 39% von ihnen sogar in Eliteeinheiten – ein höherer Anteil als in der jüdischen Bevölkerung. Im Laufe der Jahrzehnte dienten viele im Herev-Bataillon, das 1948 eigens für drusische und arabische Freiwillige aufgestellt wurde. Inzwischen wurde es aufgelöst, da die meisten Wehrdienstleistenden reguläre Eliteeinheiten vorziehen. (Foto: IDF (CC BY-NC 2.0), Drusisch-israelische Soldaten des Herev-Bataillons)
Drusische Offiziere befehligten bereits einige prestigeträchtige Einheiten der israelischen Armee. Zwischen 2014 und 2016 diente Ghassan Alian als Kommandeur der berühmten Golani-Brigade. Heute ist er der einzige (jedoch nicht der erste) Druse im Generalstab. Angesichts ihrer hohen Motivation und da ihnen nun, nach der Auflösung des Herev-Bataillons, alle Einheiten offenstehen, ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren eine zunehmende Zahl drusischer Offiziere hohe Ränge der israelischen Armee einnehmen werden.
Drusen in der Schusslinie
Drusen verteidigen die Sicherheit Israels nicht nur seit 1948 in allen Kriegen und Militäroperationen, sondern auch im Polizeidienst. Insgesamt 451 drusische Soldaten und Polizisten gaben ihr Leben zum Schutz der im Land lebenden Juden, Drusen, Christen und Muslime. Beim grausamen Massaker in einer Synagoge in Har Nof (Jerusalem) 2014, als palästinensische Terroristen vier ultraorthodoxe Männer beim Morgengebet ermordeten, war der drusische Polizist Zidan Saif der Erste am Tatort. Beim Schusswechsel mit den Terroristen erlitt er tödliche Verletzungen. 2017 erschossen Terroristen bei einem Anschlag nahe des Tempelbergs die beiden diensthabenden drusischen Polizisten Haiel Sitawe und Kamil Shnaan.
Während Minderheiten in der regulären Polizei unterrepräsentiert sind, machen Nichtjuden etwa ein Viertel der israelischen Grenzpolizisten aus, die meisten von ihnen Drusen. Da die Grenzpolizei die Sicherung der Grenzen zu den Palästinensergebieten im Westjordanland sowie Ostjerusalems und des Tempelbergs zufällt, sind Drusen und andere Nichtjuden, gemeinsam mit ihren jüdischen Kollegen, jeden Tag besonders dem Risiko von Anfeindungen und Anschlägen ausgesetzt.
Drusen auf den Golanhöhen wenden sich Israel zu
Etwa 16% der drusischen Bevölkerung lebt auf den Golanhöhen, die Israel 1967 im Sechstagekrieg eroberte und 1981 annektierte. Jahrzehntelang war die Zukunft dieses Gebirgsplateaus ungewiss. Für Israel ist es von hoher sicherheitsstrategischer Bedeutung. Syrien, das bis 1967 freie Sicht auf Nordisrael hatte und diesen Vorteil durch Artilleriebeschuss israelischer Ortschaften immer wieder unbarmherzig ausnutzte, sowie die internationale Gemeinschaft bestanden bisher jedoch auf einer Rückgabe. Diese Ungewissheit brachte die dort lebenden Drusen in eine Zwickmühle. Sollten sie israelische Staatsbürger werden, hätten sie bei einer späteren Rückgabe Repressalien seitens des syrischen Regimes zu befürchten. Somit entschieden sie sich zum passiven Widerstand. Jahrelang waren in drusischen Ortschaften syrische Fahnen und Poster syrischer Machthaber zu sehen. Junge Drusen studierten in Syrien, gefördert durch Stipendien des syrischen Regimes, und unter Vermittlung des Roten Kreuzes exportierten drusische Bauern ihre Erzeugnisse nach Syrien. (Foto: IMOT/Itamar Grindberg, Drusische Frau beim Pita-Backen)
Nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs 2011 mit inzwischen 600.000 Todesopfern begann diese starre Loyalität gegenüber dem Assad-Regime zu bröckeln. Hatten die Drusen nach der Annexion 1981 ihre israelischen Identitätskarten noch öffentlich verbrannt, ließ der seit 2011 im Nachbarland wütende Bürgerkrieg die Anträge auf israelische Staatsangehörigkeit in die Höhe schnellen. 2018 hatten bereits 20% der Drusen auf den Golanhöhen die israelische Staatsangehörigkeit. Ein weiterer Faktor, der ihre Annäherung an Israel begünstigte, war die tatkräftige Unterstützung der Zivilbevölkerung seitens des Heimatfrontkommandos der israelischen Armee während der Covid-19-Pandemie – auch auf den Golanhöhen.
Insbesondere die jüngere Generation, die nie in Syrien gelebt hat, lehnt es ab, im Schwebezustand zu verharren, ohne absehbares Ende. Stattdessen akzeptiert sie das, was Israel ihnen bietet: Sicherheit, Lebensqualität und Wohlstand.
Bekannte drusische Israelis
Immer mehr Drusen prägen das öffentliche Leben in Israel. Neben verschiedenen drusischen Politikern (siehe auch Araber und Drusen: Politik im jüdischen Staat) und hochrangigen Offizieren der Armee, üben sie wichtige Positionen in der Wissenschaft, im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie weiteren Bereichen aus.
2017 wurde mit Brigadegeneral Dr. Tarif Bader erstmals ein Druse oberster Sanitätsarzt der israelischen Armee. Er hatte zuvor die Behandlung syrischer Zivilisten an Israels Nordgrenze beaufsichtigt sowie die humanitären Delegationen der Armee in Katastrophengebiete wie 2010 nach Haiti und 2015 nach Nepal befehligt. Dr. Salman Zarka, Direktor des Ziv Medical Centers in Safed (Galiläa), der ebenfalls lange Jahre als Sanitätsoffizier in der Armee gedient hatte, wurde 2021 zum Corona-Beauftragten der israelischen Regierung ernannt.
Generalmajor Hussein Fares diente zwischen 2004 und 2007 als Kommandeur der Grenzpolizei. Der Historiker und Dichter Reda Mansour wurde 2001 im Alter von 35 Jahren Israels jüngster Botschafter, zunächst in Ecuador, anschließend in Brasilien und Panama. Mansour gilt als der erste nichtjüdische Dichter, der ausschließlich auf Hebräisch schreibt. Die Journalistin Einav Halabi schreibt für die auflagenstärkste Tageszeitung Yediot Ahronot. Karawan Halabi, Studentin der Biomedizintechnik, ist eine israelische Leichtathletin und Rekord-Halterin im 1.000-Meter-Lauf.
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