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Integration und Aufstieg: Israels Araber erobern das Gesundheitswesen

Araber in Israel

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von Ester Heinzmann

„77% der arabischen Israelis sehen sich als Teil des Staates Israel, mit dem sie ein gemeinsames Schicksal teilen.“ Das war die Sensationsmeldung im Frühsommer 2020, als Israel gegen die erste Welle der Corona-Pandemie ankämpfte. Ein Lichtstrahl inmitten täglicher Hiobsbotschaften und düsterer Gesundheitsprognosen. Das Coronavirus, keinen Unterschied zwischen Juden, Muslimen und Christen machend, war eine gemeinsame Bedrohung und ließ die Gesellschaft zusammenrücken. (Foto: Unsplash, Medizinisches Personal im Krankenhaus, Symbolbild)

Auch der Einsatz der israelischen Armee während der Pandemie hatte eine positive Wirkung: arabischsprachige Videos, zugeschnitten auf unterschiedliche Zielgruppen wie Kinder oder Senioren, informierten die muslimische Bevölkerung, wie sie sich und ihre Lieben während der traditionellen Ramadan-Feierlichkeiten vor einer Ansteckung schützen könnten. Als in einigen arabischen Ortschaften wegen hoher Infektionszahlen strikte Lockdowns verhängt wurden, verteilten Soldaten Ramadan-Geschenkpakete.

Araber in Israels Gesundheitswesen

Ein weiterer Faktor, der Juden und Araber zusammenrücken ließ, war sicherlich auch der hohe Anteil arabischer Israelis in medizinischen Berufen. Araber machen rund 21% der israelischen Bevölkerung aus, doch sie stellen rund die Hälfte aller Apotheker, ein Viertel aller Krankenpfleger und ein Fünftel aller Ärzte. Neuesten Zahlen zufolge sind sogar 46% der neu zugelassenen Ärzte Araber oder Drusen.

Somit ist zu erwarten, dass arabische Israelis in den nächsten Jahren eine noch prominentere Rolle im Gesundheitswesen spielen werden. Daten des israelischen Gesundheitsministeriums zufolge waren in den Jahren 2017-2018 rund 67% der Israelis, die eine Approbation für Heilberufe erhielten, Araber. Zudem stellten Araber die Mehrheit der Studierenden in den Bereichen Medizin (63%), Pflege (84%) und Arzneimittelkunde (82%).

Dieser Trend führt auch zu kuriosen Fakten: die arabische Ortschaft Kafr Qara, im sog. „Dreieck“, einem südöstlich von Haifa gelegenen Gebiet, in dem über 260.000 arabische Israelis beheimatet sind, weist die höchste Dichte an Ärzten im jüdischen Staat auf, möglicherweise auch in der westlichen Welt. (Laut einem Bericht der israelischen Tageszeitung Haaretz aus dem Jahr 2007 befanden sich unter den damals rund 14.500 Einwohnern 100 Ärzte und 37 Zahnärzte.)

Medizinische Berufe ermöglichen den Aufstieg

Der Entscheidung für einen medizinischen Beruf liegen oft sehr pragmatische Überlegungen zugrunde. Im Gegensatz zu anderen Studiengängen ist den arabischen Israelis im Gesundheitswesen nach einem langen und kostspieligen Studium eine passende Stelle, auch in Führungspositionen, sicher. Denn die Mehrheit der arabischen Israelis lebt in der Peripherie: in Galiläa und im Negev ist wenig Industrie angesiedelt und der stetig wachsenden Zahl arabischer Hochschulabsolventen fehlen fernab der Hightech-Metropole Tel Aviv adäquate Karrierechancen – mit Ausnahme des medizinischen Bereichs.

Um gut bezahlte Jobs in der Hightech-Industrie im Großraum Tel Aviv zu ergattern, bedarf es außerdem persönlicher Beziehungen. Oft sind während des für jüdische Israelis obligatorischen Militärdienstes geknüpfte Kontakte, manchmal auch der Dienst in speziellen nachrichtendienstlichen Einheiten, entscheidend. Arabische Israelis sind von der Wehrpflicht befreit (nur eine geringe Zahl dient freiwillig) - somit fehlen ihnen diese wesentlichen Beziehungen.

Hinzu kommt die Sprachbarriere: arabisch-israelische Kinder besuchen mehrheitlich arabischsprachige Schulen, viele von ihnen studieren anschließend an Universitäten in den Palästinensergebieten oder im Ausland. Hebräisch ist somit nur ihre Zweitsprache, ein Karriere-Hindernis in vielen Branchen. Doch nicht so im Gesundheitswesen, wo Nachwuchskräften händeringend gesucht werden.

Wunder der Medizin: Karrierechance, Begegnung und Koexistenz

Arabische und drusische Ärztinnen und Ärzte bekleiden prominente Positionen in Israels Krankenhäusern, wie Prof. Masad Barhoum, Vorstandsvorsitzender des Galilee Medical Centers in Naharija, dem größten Krankenhaus in Nordisrael, oder Prof. Dschihad Bischara, Direktor der Abteilung für Infektionskrankheiten im Beilinson-Krankenhaus in Petach Tikwa (Zentralisrael). Dr. Salman Zarka, ein Druse und Generaldirektor des Ziv Medical Centers in Safed (Galiläa) ist aktueller Corona-Beauftragter der israelischen Regierung.

Ihre Expertise macht arabische Ärzte und Wissenschaftler zu gefragten Interviewpartnern israelischer Medien. Dies wiederum vermittelt der jüdischen Öffentlichkeit ein positives Bild ihrer arabischen Landsleute, weit entfernt von vorurteilbehafteten Klischees. Diese Mediziner nehmen auch eine Vorbildfunktion für junge Araber ein und stärken das Vertrauen des arabischen Bevölkerungsteils in medizinische Einrichtungen sowie in Staat und Gesellschaft.

Krankenhaus: Begegnung statt Politik

Die Wahl medizinischer Berufe unter arabischen Israelis birgt weitere gesellschaftliche Vorteile. Das Krankenhaus wird zu einem Ort der Begegnung, die in Israel wohl ihresgleichen sucht: Muslimisch-arabische und orthodox-jüdische Patienten teilen das Krankenzimmer, jüdische Pfleger versorgen arabische Senioren und arabische Ärzte bringen jüdische Kinder zur Welt.

Die am Arbeitsplatz geknüpften, freundschaftlich Beziehungen halten auch nach dem Schichtende an. Als im Mai 2021 zahlreiche gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis das Land erschütterten, waren es vor allem viele Krankenhäuser und ihr Personal, Juden und Araber, die in großangelegten Kampagnen ihre Landsleute zu Einheit aufriefen und zeigten, dass ein friedliches Miteinander möglich ist – auch trotz entgegengesetzter Ansichten. „Etwa 20-25% unserer 5.000 Mitarbeiter sind Araber“, erklärte Prof. Jonathan Halevy, Vorsitzender des Shaare Zedek Medical Centers in Jerusalem, der das Krankenhaus seit 1988 leitet. Ethnische Spannungen gebe es unter der Belegschaft nicht. Das Erfolgsrezept? „Uns alle eint der Auftrag, unsere Patienten zu behandeln. Politik lassen wir draußen vor der Tür.“

 

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