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ICEJ-Nachrichtenredaktion
Auf Antrag des designierten israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu hat Staatspräsident Isaac Herzog die Frist zur Regierungsbildung um weitere zehn Tage verlängert. Netanjahu hat nun bis zum 21. Dezember Zeit, eine Koalition zusammenzustellen. „Dies sind komplexe Zeiten für die israelische Gesellschaft, in denen Differenzen über Kernfragen zu Gewalt und blindem Hass führen können“, warnte Herzog in einem an Netanjahu gerichteten Schreiben. Daher müsse die künftige Regierung „für die gesamte Öffentlichkeit in Israel arbeiten“. In scheinbarer Anspielung an die von den religiösen Parteien geplante Justiz-Reform forderte Herzog „einen respektvollen und verantwortlichen Dialog zwischen den Behörden – Exekutive, Legislative und Judikative“. Netanjahus nationalkonservative Likud-Partei hatte bei den Knesset-Wahlen am 1. November 32 Mandate erhalten. Gemeinsam mit den ultraorthodoxen und nationalreligiösen Parteien käme der Likud auf 64 der insgesamt 120 Knesset-Sitze. Nach wochenlangen Verhandlungen sind zwar mit allen potenziellen Koalitionspartnern Übergangsabkommen unterzeichnet worden, der endgültige Koalitionsvertrag steht jedoch noch aus. (Foto: GPO/Kobi Gideon (CC-BY-SA-3.0), Isaac Herzog beauftragt Benjamin Netanjahu mit der Regierungsbildung (Ausschnitt), November 2022)
Neuer Knesset-Sprecher: Zahlreiche Abstimmungen geplant
Am heutigen Dienstag wurde Jariv Levin (Likud) zum vorübergehenden Knesset-Sprecher gewählt. Es wird erwartet, dass Levin nun mehrere Gesetze zur Abstimmung vorlegen wird, die Voraussetzung für die Regierungsbeteiligung einiger Parteien sind. Dazu gehören u.a. die erweiterte Kontrolle des Ministers für nationale Sicherheit über die Polizei, eine Forderung Itamar Ben-Gvirs von der ultranationalen Otzma-Jehudit-Partei. Außerdem ist eine Gesetzesänderung geplant, wonach Personen, die zwar strafrechtlich verurteilt wurden, jedoch keine Haftstrafe verbüßen mussten, ein Ministeramt ausüben dürfen. Arye Deri, Vorsitzender der sephardisch-ultraorthodoxen Schas-Partei, war zu Jahresbeginn wegen mehrerer Steuerdelikte verurteilt worden. Aufgrund einer 12-monatigen, auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe, wäre er nach der aktuellen Gesetzeslage für sieben Jahre von einem Ministeramt ausgeschlossen. Deri will Innen- und Gesundheitsminister werden.
Rivlin warnt vor übereilter Justiz-Reform
Reuven Rivlin, ehemaliger israelischer Staatspräsident, hat am Montag vor einer übereilten Justiz-Reform gewarnt. Der Jurist und Parteifreund des designierten Premierministers Benjamin Netanjahu sagte, die Beziehung zwischen Legislative und Judikative müsse „dringend geregelt“ werden, doch „Änderungen an der Verfassungsstruktur müssen im Rahmen eines öffentlichen Diskurses vorgenommen werden und nicht vorschnell, um politische Parteien zufriedenzustellen, die nicht die Bevölkerungsmehrheit repräsentieren.“ Die sich abzeichnende Koalitionsregierung unter der Führung Netanjahus hat ein Gesetz angekündigt, das der Knesset ermöglichen würde, sich über Urteile des Obersten Gerichtshof hinwegzusetzen. Bisher können Israels oberste Richter Gesetze und Regierungsbeschlüsse aufheben, sofern sie nach ihrem Ermessen gegen Israels zwölf Grundgesetze verstoßen. Befürworter der geplanten Reform sehen darin die Durchsetzung des Mehrheitswillens. Sie verweisen darauf, dass Israel keine Verfassung hat und (nicht gewählte) Richter somit keine Befugnis hätten, (von einer gewählten Regierung) verabschiedete Gesetze für ungültig zu erklären. Gegner befürchten hingegen eine Benachteiligung von Minderheiten und eine „Diktatur der politischen Mehrheit“. Insbesondere bei den ultraorthodoxen Parteien hatten Urteile des Obersten Gerichtshofs wiederholt für Empörung gesorgt, u.a. ein Urteil von 2012, das die Befreiung ultraorthodoxer Jugendlicher vom Wehrdienst als „diskriminierend“ erklärte, sowie ein Urteil von 2021, das die Konversion innerhalb des Konservativen oder Reform-Judentums anerkennt.
Armutsanstieg in Israel: 2,6 Millionen betroffen
Rund 2,6 Millionen Israelis leben in Armut, darunter mehr als 1,17 Millionen Kinder. Das gab die israelische Nichtregierungsorganisation Latet, die sich für Armutsbekämpfung einsetzt, am Montag bekannt. Insgesamt befinden sich 830.000 israelische Haushalte (27,7%) in finanzieller Notlage. Das ist ein Anstieg von 18,7% im Vergleich zu vor Beginn der Covid-19-Pandemie, als es noch 699.000 Haushalte waren. Kriterien zur Ermittlung der finanziellen Notlage sind laut Latet u.a. ein Einkommen unterhalb 50% des mittleren Pro-Kopf-Einkommens sowie der unfreiwillige Verzicht auf Medikamente und Lebensmittel. Außerdem berichtet Latet, dass 680.475 Haushalte (1.084.251 Kinder) von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen sind. Unter israelischen Senioren sind 69,4% von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen, knapp 60,9% von ihnen fehlen die nötigen finanziellen Mittel für Medikamente oder medizinische Behandlungen. Etwa 4,3% aller Haushalte sind neben staatlichen Hilfen auf zusätzliche Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen. Eine Umfrage unter diesen Haushalten ergab, dass 77% von ihnen unter ständigem Lebensmittelmangel leiden. Bei 51,2% wurde der Strom abgestellt oder sie wurden gewarnt, dass ihnen der Strom abgestellt würde. 44,2% sahen sich gezwungen, sich zwischen der Begleichung der Stromrechnung oder dem Kauf von Grundbedarfsartikeln oder Medikamenten zu entscheiden.
Mit unserem Projekt „Zukunft und Hoffnung“ bietet die ICEJ neben dringend benötigter Lebensmittelhilfe Benachteiligten mit Aus- und Weiterbildungskursen Hilfe zur Selbsthilfe an. Bitte helfen Sie uns, bedürftigen Israelis unter die Arme zu greifen. Als Verwendungszweck bitte „Zukunft und Hoffnung“ angeben, vielen Dank!
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New York: Anstieg judenfeindlicher Hassverbrechen
New York City hat im November einen dramatischen Anstieg antisemitischer Hassverbrechen verzeichnet. Das gab die Polizeibehörde der Millionenmetropole vergangene Woche bekannt. Insgesamt wurden vergangenen Monat 45 antisemitische Hassverbrechen gemeldet, im November 2021 waren es 20. Zwischen Januar und November 2022 wurden 571 Hassverbrechen gemeldet, 15,4% mehr als im Vorjahreszeitraum. Knapp die Hälfte (278) dieser Hassverbrechen richtete sich gegen Juden. In New York City leben rund 1,6 Millionen Juden, es ist die größte jüdische Gemeinde weltweit in einer einzelnen Stadt. Am Wochenende wurde eine Gruppe jüdischer Jugendlicher von Unbekannten mit einer Elektroschockpistole bedroht und anschließend durch die Straßen Brooklyns gejagt. Anfang Dezember wurden im Stadtbezirk Staten Island ein jüdischer Vater und sein siebenjähriger Sohn mit einer Luftpistole beschossen und leicht verletzt. „Antisemitismus verbreitet sich wie ein Buschfeuer“, warnte Dov Hikind, ehemaliger Unterhausabgeordneter des Bundesstaats New York und wies darauf hin, dass neben den 45 gegen Juden gerichtete Hassverbrechen im November sich „18 gegen alle sonstigen betroffenen Gruppen zusammen“ gerichtet hätten. Der New Yorker Bürgermeister Eric Adams kritisierte die „Normalisierung“ des Hasses, was v.a. durch Social Media befeuert werde. Der jüngste Anstieg judenfeindlicher Hassverbrechen überschnitt sich mit antisemitischen Äußerungen prominenter US-Amerikaner. Im Oktober hatte der Basketballspieler Kyrie Irving auf seinem Twitter-Profil einen Link zu einem antisemitischen Film geteilt. Als er sich zunächst weigerte, sich von den Antisemitismusvorwürfen zu distanzieren, wurde er von seinem Team für insgesamt acht Spiele suspendiert. Der Rapper Kanye West, der als einer der einflussreichsten Künstler der Musikbranche gilt, sorgt seit Wochen für Schlagzeilen, u.a. weil er antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und zuletzt auch Adolf Hitler lobte.
Juden weltweit feiern Chanukka
Chanukka, das Fest der Tempelweihe, beginnt dieses Jahr am Sonntag, den 18. Dezember. Acht Tage lang gedenken die Juden zu Chanukka der Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem nach dem erfolgreichen Aufstand der Makkabäer gegen die Griechen (164 v. Chr.). Der Überlieferung nach fand sich nur noch ein Krug geweihten Öls für die Menora (den siebenarmigen Leuchter) im Tempel, deren Lichter immer brennen sollten. Das Öl hätte nur für einen Tag gereicht, soll aber acht Tage lang gebrannt haben, bis neues, rituell reines Öl hergestellt werden konnte. Im Gedenken daran entzünden Juden in Israel und in aller Welt acht Tage lang die Kerzen auf dem neunarmigen Leuchter, der Chanukkia - jeden Tag ein Licht mehr, bis am Ende acht Kerzen brennen. Dazu isst man Sufganiyot (in Öl gebackene Berliner) und singt fröhliche Chanukka-Lieder.
In Israel und in vielen Großstädten weltweit werden auf öffentlichen Plätzen feierlich Chanukka-Lichter entzündet. Setzen Sie ein Zeichen und feiern Sie mit der jüdischen Gemeinde Chanukka! Erkundigen Sie sich bei der jüdischen Gemeinde in Ihrer Nähe über geplante Chanukka-Feiern. Auf der Internetseite des Zentralrats der Juden in Deutschland finden Sie eine Übersicht der Landesverbände und Gemeinden. www.zentralratderjuden.de/vor-ort/