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ICEJ-Nachrichtenredaktion
Israel gedenkt am heutigen Dienstag der Opfer der Schoa. Um 10 Uhr Ortszeit heulten im ganzen Land die Sirenen, während die Menschen für zwei Minuten innehielten und das öffentliche Leben zum Erliegen kam. An vielen Orten finden Gedenkveranstaltungen statt. In der Knesset lesen Politiker und hochrangige Würdenträger die Namen von Ermordeten vor, manche berichten über das Schicksal ihrer ermordeten Angehörigen. In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem legten Staatspräsident Isaac Herzog, Premierminister Benjamin Netanjahu, Knesset-Sprecher Amir Ochana und die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Esther Hayut Kränze nieder. Zur Hauptveranstaltung in Yad Vashem am Vorabend des Jom HaSchoa entzündeten sechs Überlebende sechs Gedenkfackeln, darunter die 90-jährige Tova Gutstein, der 1943 als Zehnjährige die Flucht aus dem Warschauer Ghetto gelang. In seiner Ansprache rief Staatspräsident Herzog die israelische Bevölkerung zu Einheit auf. „Wir sind ein Volk und ein Volk werden wir bleiben, verbunden nicht nur durch eine schmerzhafte Geschichte, sondern auch durch unsere gemeinsame, hoffnungsvolle Zukunft und Bestimmung.“ (Foto: Yad Vashem, Überlebende entzünden Gedenkfackeln, Bildmitte: Tova Gutstein, 17.04.2023)
Herzog beschrieb das Schicksal von 86 Juden, die im KZ Natzweiler-Struthof im besetzten Elsass vergast wurden, mit dem Ziel, ihre zerstückelten Leichen in einem von den Nazis geplanten „Museum der Knochen und Skelette einer ausgestorbenen Rasse“ auszustellen. „Sechsundachtzig Welten, Welten der Liebe, der Freude und der Träume, reduziert auf zerstückelte Gliedmaßen“, führte er aus. „Dieser entsetzliche, verdorbene, kranke Akt des Mordes zum Zwecke der öffentlichen Zurschaustellung unterstreicht die Verderbtheit, die Tiefen des schrecklichsten Abgrunds der Menschheitsgeschichte, der Hölle selbst.“ Herzog unterstrich die Beispiellosigkeit des Holocaust und verurteilte jegliche Verwendung von Holocaust-Analogien in politischen Debatten. „Es war keine bloße Bosheit, es war eine Unendlichkeit des Grauens.“
Erinnerung an jüdischen Widerstand
Zentraler Fokus des Gedenkens ist in diesem Jahr der jüdische Widerstand im Holocaust, insbesondere der Aufstand im Warschauer Ghetto vor 80 Jahren. Der bewaffnete Widerstand gegen die Deutschen formierte sich v.a. ab 1942. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits rund drei Millionen Juden ermordet worden. In etwa 100 Ghettos bildeten sich Widerstandsbewegungen, u.a. in Vilnius, Krakau, Białystok, Tschenstochau und Warschau. Die Widerstandskämpfer wussten, dass sie nur eine geringe Überlebenschance hatten und den Holocaust nicht würden stoppen können. Manchen gelang die Flucht aus den Ghettos. Sie konnten sich u.a. sowjetischen Partisanen anschließen und weiterhin gegen die Deutschen kämpfen. In den Vernichtungslagern Treblinka, Sobibor und Auschwitz kam es 1943 und 1944 zu Aufständen. Die meisten der Häftlinge, die sich gegen ihre Peiniger zur Wehr setzten, wurden getötet. Einige Dutzend konnten fliehen und überlebten. Neben dem bewaffneten Widerstand leisteten viele Juden während der Schoa geistigen Widerstand: in den Ghettos organisierten sie, soweit möglich, ein kulturelles Leben, begingen jüdische Feiertage, betrieben heimlich Schulen, druckten Untergrund-Zeitungen und dokumentierten das Leid und die Verbrechen, deren Augenzeugen sie wurden.
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Noch 147.199 Holocaustüberlebende in Israel
In Israel leben noch 147.199 Holocaustüberlebende. Das gab die zuständige Behörde am Sonntag bekannt. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 85 Jahren, rund 30.000 Holocaustüberlebende sind älter als 90 Jahre. Mehr als 1.000 sind mindestens 100 Jahre alt, 462 von ihnen feierten im vergangenen Jahr ihren 100. Geburtstag. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wanderten 521 ukrainische Holocaustüberlebende nach Israel ein, 190 von ihnen mit Hilfe der ICEJ. 63% aller Holocaustüberlebenden in Israel wurden in Europa geboren, die meisten stammen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (37%), gefolgt von Rumänien (11%), Polen (5%) und Bulgarien (2,7%). Nur 1,4% wurden in Deutschland geboren. Weitere 26% stammen aus Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen – Länder, die während des Zweiten Weltkriegs von Vichy-Frankreich bzw. vom faschistischen Italien besetzt waren. 11% wurden im Irak geboren, wo 1941 während der NS-inspirierten Farhud-Pogrome 179 Juden ermordet und rund 2.000 weitere zum Teil schwer verletzt wurden. Die meisten Holocaustüberlebenden in Israel wohnen in Haifa, gefolgt von Jerusalem und Tel Aviv. Etwa ein Drittel der Überlebenden lebt in Armut, viele sind auf Lebensmittelspenden angewiesen.
Seit vielen Jahren unterstützt die ICEJ bedürftige Holocaustüberlebende in Israel. In unserem Heim in Haifa werden 54 Holocaustüberlebende liebevoll versorgt und verbringen ihren Lebensabend in Würde und Gemeinschaft. Außerdem hilft die ICEJ hunderten weiteren im ganzen Land, u.a. durch telefonische Anlaufstellen, die rund um die Uhr besetzt sind. Hier finden einsame Holocaustüberlebende ein offenes Ohr und erhalten schnell und unkompliziert praktische Hilfe.
Bitte helfen Sie uns, bedürftige Holocaustüberlebende zu unterstützen. Als Verwendungszweck bitte „Holocaustüberlebende“ angeben, vielen Dank!
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Zwei Minuten gegen das Vergessen: ICEJ begeht Jom HaSchoa
Mit der Initiative „Zwei Minuten gegen das Vergessen“ hat die ICEJ-Deutschland dazu aufgerufen, am israelischen Holocaustgedenktag Jom HaSchoa auch außerhalb Israels zwei Minuten an die Opfer und Überlebenden des Holocaust zu gedenken. Zeitgleich mit Israel gedachten am heutigen Dienstagvormittag rund 30 Juden und Christen am Holocaust-Mahnmal auf dem Stauffenberg-Platz in Stuttgart. Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und Stephan Lehnert, ICEJ-Geschäftsführer, legten einen Kranz nieder. Am Montagabend hielt Gottfried Bühler, 1. Vorsitzender der ICEJ-Deutschland, einenVortrag anlässlich des Jom HaSchoa im Lighthouse Essen. Außerdem organisierte die ICEJ einen Schulbesuch mit der Holocaustüberlebenden Ruth Michel-Rosenstock an der Ottmar-Mergenthaler-Realschule in Vaihingen/Enz. Im Rahmen der ICEJ-Bildungsarbeit „Mit Kultur gegen Antisemitismus“ besuchen zurzeit ICEJ-Mitarbeiter mit rund 100 Schülern aus Süddeutschland Prag und das ehemalige Ghetto Theresienstadt. Vorschläge zum individuellen Gedenken und ein Video zum Jom HaSchoa finden Sie hier.
Quellen: u.a. AFP, AP, Arutz 7, BILD, CNN, DPA, Ha'aretz, IMRA, i24, IDF, Israel21c, Israelinsider, JCPA, Jediot Acharonot, Jerusalem Post, MAARIV, n-tv, Reuters, Spiegel Online, The Times of Israel, Welt Online, Ynetnews, Zeit Online.
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