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Netanjahu: Oberstes Gericht soll „Interessenskonflikt“ prüfen

ICEJ-Nachrichten vom 02. März 2023

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Posted on: 
2 Mär 2023
 Netanjahu: Oberstes Gericht soll „Interessenskonflikt“ prüfen

Israels Oberster Gerichtshof soll klären, ob ein Interessenskonflikt bestünde, wenn Premierminister Benjamin Netanjahu Verhandlungen zur geplanten Justizreform führen würde. Eine 2020 getroffene Vereinbarung untersagt es Netanjahu, in Angelegenheiten, die Auswirkungen auf den gegen ihn laufenden Gerichtsprozess haben könnten, involviert zu sein. Netanjahus Anwälte baten Israels oberste Richter am heutigen Donnerstag, den Standpunkt von Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara, die Justizreform sei eine solche Angelegenheit, zu prüfen. Baharav-Miara hatte im Februar erklärt, Netanjahu dürfe sich weder öffentlich noch privat zu den Reformen äußern. Netanjahu und auch Staatspräsident Isaac Herzog hatten sie daraufhin aufgefordert, die Teilnahme des Premierministers an Gesprächen zwischen Regierung und Opposition zu ermöglichen. Laut Netanjahus Anwälten sei dies auch der Wunsch von Oppositionspolitikern. Kritik an der Generalstaatsanwältin kam u.a. vom zentrischen Parteienbündnis Nationale Einheit des ehemaligen Verteidigungsministers Benny Gantz.Medienberichten zufolge sei Netanjahu, unzufrieden angesichts der „Unnachgiebigkeit“ von Justizminister Jariv Levin, zur Aushandlung von Kompromissen bereit. (Foto: GPO/Haim Zach, Benjamin Netanjahu (Ausschnitt), Archivbild)

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Tel Aviv: Verletzte bei Protesten gegen Justizreform

In Tel Aviv sind am Mittwoch bei Protesten gegen die Justizreform mehrere Menschen verletzt worden. Die Polizei setzte Blendgranaten und Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein. Mindestens elf Menschen mussten in Krankenhäusern behandelt werden, ein Mann soll ein Ohr verloren haben, nachdem er von einer Blendgranate getroffen wurde. Die seit Wochen andauernden Proteste waren bisher ohne größere Zwischenfälle verlaufen. Nach Bekanntwerden der Eskalation warfen hochrangige Polizeibeamten dem israelischen Polizeipräsidenten Kobi Schabtai vor, er habe ein härteres Vorgehen angeordnet, nachdem er von Itamar Ben-Gvir, Minister für nationale Sicherheit, unter Druck gesetzt worden sei. „Blendgranaten sind unglaublich gefährlich und man setzt sie nicht gegen Demonstranten mitten in Tel Aviv ein, die nichts weiter tun, als Straßen zu blockieren oder Straßensperren zu durchbrechen“, sagte ein Polizeibeamter gegenüber Haaretz. Ben-Gvir hatte in den letzten Wochen wiederholt ein härteres Vorgehen gegen die Demonstranten gefordert, die er als „Anarchisten“ bezeichnete. Schabtai wies die Vorwürfe zurück und erklärte, die Polizei sei dem Demonstrationsrecht und der Redefreiheit verpflichtet, jedoch seien mehrere Polizisten bei Zusammenstößen mit Demonstranten verletzt worden.

Berlin: Cohen fordert „starkes Handeln“ gegen Iran

Israels Außenminister Eli Cohen ist am Dienstag von seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock in Berlin empfangen worden. Er forderte Deutschland zu einem entschlossenen Vorgehen gegen das iranische Regime auf, u.a. durch die Verhängung von Sanktionen und die Einstufung der Iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation. „Es ist Zeit zu handeln, um zu verhindern, dass der Iran Atomwaffen erlangt“, sagte Cohen. „Deutschland muss eine klare Botschaft senden. Nur ein starkes Handeln wird starke Ergebnisse bringen.“ Baerbock drückte ihre „Sorge“ über die geplante Justizreform aus. „Zu den Werten, die uns verbinden, gehört der Schutz rechtsstaatlicher Prinzipien wie die Unabhängigkeit der Justiz. Das war immer ein Aushängeschild Israels“, sagte sie.

Kritik an geplanter Todesstrafe

Die Außenministerin kritisierte auch ein von der israelischen Regierung geplantes Gesetz, wonach tödliche Terroranschläge gegen Israelis mit der Todesstrafe geahndet werden sollen. Ein entsprechender, von der ultra-nationalen Otzma-Jehudit-Partei eingebrachter Gesetzesentwurf passierte am Mittwoch die Knesset in der ersten Lesung. Die säkular-nationale Oppositionspartei von Avigdor Lieberman, Israel Beitenu, stimmte für das Gesetz. Kritiker des Gesetzes sagen, die Verhängung der Todesstrafe habe auf Terroristen keine abschreckende Wirkung, werde jedoch Israels Ansehen in der Weltöffentlichkeit schaden. Aktuell sieht das israelische Strafrecht die Todesstrafe nur bei Mord in Zusammenhang mit NS-Verbrechen oder bei Völkermord vor. Sie wurde bisher nur zweimal, gegen den Holocaust-Organisator Adolf Eichmann und den KZ-Wachmann John Demjanjuk, verhängt und nur einmal, an Eichmann, vollstreckt.

Israel: Sicherheitszaun „vernachlässigt“, Reparaturen langwierig

Reparaturarbeiten am Sicherheitszaun, den Israel 2002 zum Schutz vor palästinensischen Selbstmordattentätern aus dem Westjordanland (Judäa und Samaria) errichten ließ, werden möglicherweise erst 2024 abgeschlossen sein. Das berichtete die Jerusalem Post am Dienstag unter Berufung auf anonyme Quellen innerhalb der israelischen Armee. Somit wären israelische Städte inmitten der andauernden und zu eskalieren drohenden Terrorwelle nicht ausreichend geschützt. Im vergangenen Jahr waren in Israel 30 Menschen von Terroristen getötet worden. In diesem Jahr starben bereits 14 Menschen bei mehreren Anschlägen. Aus einem am Dienstag veröffentlichten Bericht des staatlichem Rechnungsprüfers Matanjahu Englman geht hervor, dass Sicherheitsbehörden Pläne zum Ausbau des Zauns 2017 aufgegeben hatten. Damals sei die Bedrohung durch den Iran und durch Terrororganisationen wie Hisbollah und Hamas als größer eingeschätzt worden als die Bedrohung durch Terroristen im Westjordanland. Die ausgebliebenen Reparaturen an zerfallenen und zerstörten Zaunabschnitten hätten dazu geführt, dass der Zaun Ende 2021 nur noch zu 52% funktionsfähig gewesen sei, kritisierte Englman. Erst nachdem elf Israelis Anfang 2022 von Terroristen ermordet wurden, wurden die Reparaturarbeiten wiederaufgenommen. Englman warnte am Dienstag auch, dass israelische Industrieparks in Judäa und Samaria nicht ausreichend gegen Terroranschläge geschützt seien. In den 35 Industrieparks sind rund 5.500 Israelis und 14.100 Palästinenser beschäftigt.

Scharansky: Justizreform „extrem“, keine Gefahr für Demokratie

Der bekannte sowjetische Dissident Natan Scharansky hat am Sonntag in einem Interview mit der Times of Israel erklärt, er sehe keinen Grund zur Sorge, dass Israel zu einer Diktatur würde. Israel werde trotz der geplanten Justizreform weiterhin eine Demokratie bleiben, aber „wir werden uns sehr anstrengen müssen, um das Gleichgewicht zwischen Gerichtshof und Knesset wiederherzustellen“, sagte Scharansky, der von 1977-1986 u.a. in einem sibirischen Straflager inhaftiert war und später mehrere Ministerposten in Israel bekleidete. Er kritisierte die Geschwindigkeit, mit der die Reformen, die „von einem Extrem ins andere“ führten, vorangebracht würden. Eine derart weitreichende Gesetzgebung müsse im Dialog ausgehandelt werden, sagte er. Der Opposition warf er vor, keine konkreten Vorschläge zu machen und keine Verhandlungsbereitschaft zu zeigen. Stattdessen halte sie an der falschen Annahme fest, die Reformen könnten mit Massenprotesten abgewendet werden. Scharansky forderte zudem die Einbindung ausländischer Rechtsexperten, um einen Konsens zu erarbeiten. Premierminister Benjamin Netanjahus aktuelle Koalitionsregierung bezeichnete er als „sehr problematisch“. „Netanjahu befindet sich zum ersten Mal am linken Rand der Regierung. Dadurch hat er wenig Spielraum.“ Der Premierminister sei „sehr abhängig“ von seinen Koalitionspartnern und habe bereits eine Reihe „problematischer“ Zugeständnisse machen müssen. Netanjahu ist nach knapp eineinhalbjähriger Unterbrechung seit Dezember 2022 wieder im Amt, dank der Unterstützung religiöser und nationaler Parteien.

 


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Quellen: u.a. AFP, AP, Arutz 7, BILD, CNN, DPA, Ha'aretz, IMRA, i24, IDF, Israel21c, Israelinsider, JCPA, Jediot Acharonot, Jerusalem Post, MAARIV, n-tv, Reuters, Spiegel Online, The Times of Israel, Welt Online, Ynetnews, Zeit Online.

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