Am 3.2.18 wird der bekannte Qumranfachmann, Bestsellerautor, Bibelschulen-Gastdozent und Israel-Studienreiseleiter Alexander Schick von der Insel Sylt ein großes Tagesseminar in Stuttgart halten.
Damit Sie Lust auf das hochspannende Thema bekommen, hier eine kurze Einführung in die Schriftrollenforschung durch A. Schick.
Es wird immer im Dunkeln bleiben, warum Muhammed edh-Dhib vom Stamm der Ta’amira-Beduinen im Frühling 1947 den Steilhang an der Westküste des Toten Meeres hinabkletterte. Suchte er wirklich seine Ziege, die ihm angeblich weggelaufen sei, wie er später immer wieder erzählte, und die er durch Steinwürfe aufschrecken wollte? Oder hielt er Ausschau nach einem passenden Versteck für seine Schmuggelware, die die Beduinen in jenen Tagen von Jordanien nach Palästina brachten? Der Grund seiner Steinwürfe ist eigentlich unwesentlich – wichtig ist, dass er damit einen Stein ins Rollen gebracht hat, der bis heute weltweit Forscher und die breite Öffentlichkeit in Atem hält.
Als Muhammed etwa 1,5 km nördlich von der uralten Ruine Qumran entfernt eine besonders kleine Höhlenöffnung entdeckte, warf er auch hier einen Stein hinein. Er hörte, wie Ton zersprang. In der Höhle erblickte er 50 Tonkrüge, die sorgsam aufgereiht an der Wand standen. Einer der 60 cm hohen Tonkrüge war durch seinen Steinwurf kaputtgegangen. Sollte er einen verborgenen Schatz entdeckt haben? Aber welche Enttäuschung! Lediglich einige fürchterlich verklebte und angeschwärzte Lederrollen konnte er in den Tonkrügen finden, die er später im Lager genauer untersuchte. Mit den Schriftzeichen auf den alten Rollen wusste keiner seiner Stammesbrüder etwas anzufangen. Die Beduinen ahnten nicht, dass sie einen Schatz in den Händen hielten – wertvoller als alles Gold und Silber. Monate später gelang es ihnen, ihren Fund an Erzbischof Athanasius Yeschue Samuel von der syrisch-orthodoxen Gemeinde zu verkaufen. Der Kaufpreis: 92.– $. Einige Jahre später bezahlte der Staat Israel dem Bischof 250.000 $ für seine Rollen! Monatelang versuchte der Erzbischof herauszubekommen, was er eigentlich angekauft hatte, da er die alten Schriftzeichen nicht entziffern konnte. Als er im Februar 1948 auf den jungen amerikanischen Bibelgelehrten Dr. Trever stieß, erkannte dieser sofort, dass es sich bei den Schriftrollen um einen wahren Bibelschatz handelte.
Die längste der Schriftrollen stellte sich als eine Abschrift des Prophetenbuches Jesaja heraus. Aus der Form der Buchstaben konnte man schließen, dass die Rolle aus dem 1. oder 2. Jahrhundert v.Chr. stammen musste. Mit dieser Schriftrolle lag die älteste komplette Abschrift eines Bibelbuches auf Hebräisch vor. Der Traum aller Textforscher ging damit in Erfüllung. Die Datierung der Jesajahandschrift auf das 2. Jh. v.Chr. ist 1991 und 1994 durch radioaktive Tests bestätigt worden. Bis heute stellt die sogenannte große Jesajarolle vom Toten Meer eine Sensation dar. Bis zu den Qumranfunden stammte die älteste vollständige hebräische Bibelhandschrift erst aus dem 10. Jahrhundert nach Christus (der sog. Codex Leningradensis). Durch die große Jesajarolle lässt sich der Text um über 1.000 Jahre weiter zurückverfolgen.
Die Masoreten waren jüdische Schriftgelehrte, die über Jahrhunderte den Text der jüdischen Bibel (den Tanach; unser Altes Testament) überliefert hatten. Man war sich allerdings nie ganz sicher, wie zuverlässig der übliche abgedruckte Text des Alten Testaments tatsächlich war, der auf diesen masoretischen Texten beruhte. Ein tausendjähriger Überlieferungsprozess ist verständlicherweise mit vielen Problemen behaftet. Wie viele Schreiber hatten wohl in den Jahrhunderten den Text immer wieder abgeschrieben? Konnte man sich sicher sein, dass die Abschreiber nicht trotz großer Sorgfalt Fehler begangen hatten? Mit der Jesajarolle aus dem 2. Jahrhundert v.Chr. hatte man nun ein komplettes Bibelbuch aus dem Alten Testament vorliegen, das um über 1.000 Jahre älter ist als die mittelalterlichen Handschriften. Eine absolute Sensation! Über 1.000 Jahre Textgeschichte konnte man nun auf einen Schlag untersuchen. Kaum war die Entdeckung der Jesajarolle bekannt geworden, da schrieben die Zeitungen: «Jetzt wird sich zeigen, dass die Bibel schlecht überliefert ist. – Jetzt wird die Grundlage des Christentums erschüttert.» Die Jesajarolle wurde gleichsam zum Gradmesser für die Bibelüberlieferung. Es stellte sich aber heraus, dass der Text hervorragend überliefert worden ist.
In einigen Fällen konnte der «Urtext» des Prophetenbuches ermittelt werden. Schon lange machte Jesaja 21,8 den Übersetzern große Probleme. Im mittelalterlich überlieferten Bibeltext (dem sog. masoretischen Text) heißt es: «Und er schrie, ein Löwe: Auf einem Wachturm steh ich, o Herr …» Eine andere Übersetzungsmöglichkeit: «Und ein Löwe schrie: Auf einem Wachturm steh ich, o Herr …» Spätere Übersetzungen und Revisionen haben versucht, der Stelle einen Sinn zu geben, indem sie ein «wie» einfügten: «Und er schrie wie ein Löwe.» So tun es beispielsweise die Lutherübersetzung 1912, die Schlachter-Bibel und die alte Elberfelder-Bibel. Wie schwer sich Übersetzer bis heute mit der Stelle tun, wenn sie ausschließlich dem klassisch überlieferten masoretischen Bibeltext folgen, zeigt die sonst so wortgetreue Übertragung des jüdischen Prof. Tur-Sinai. Bei ihm findet sich die (erklärende) Übersetzung: «Da ruft er: ‹der Löw (ist los)! Auf Ausschau steh ich Herr …›»
Was ein Löwe hier zu suchen hat, ist allerdings sehr schwer zu begreifen, da in Vers 6 zuvor berichtet wird wie Gott befiehlt: «Geh hin, stell einen Späher auf! Was er sieht, soll er berichten.» Durch die Jesajarolle von Qumran wurde nun ersichtlich, dass der «Löwe» durch das Vertauschen von Konsonanten vor vielen Jahrhunderten versehentlich entstanden war. Die Rolle aus Qumran bietet den ursprünglichen Text: «Und der es sah, schrie: Auf einem Wachturm steh ich, o Herr …» Eine andere Übersetzung lautet: «Da rief der Seher: Auf einem Wachturm …» Die verschiedenen Lesarten rühren daher, dass sich im Hebräischen die Worte «Löwe» (’RYH) und «der es sah» (HR’H) einigermaßen ähnlich sind im Schriftbild und Klang. Durch das Verwechseln zweier Konsonanten war aus «dem Seher» ein völlig aus der Luft gegriffener «Löwe» geworden. Da der Bibeltext für die jüdischen Abschreiber aber heilig ist, haben sie den offensichtlichen Fehler nicht verbessert!
Die große Jesajarolle von Qumran bietet gegenüber dem überlieferten masoretischen Text allerdings über 6.000 orthographische Varianten. Der Sinn des Textes wird dadurch selten beeinflusst, aber jegliche Theorie eines geheimen Bibelcodes scheitert hier, denn dazu müssten alle Texte identisch sein. Ein intensiver Vergleich der Qumranrolle mit mittelalterlichen Handschriften ergab insgesamt, dass der Inhalt des Prophetenbuches Jesaja ganz ausgezeichnet überliefert ist. Die kleinen Textunterschiede (wie Löwe/Seher) sind für Spezialisten interessant, die den «Urtext» der Bibel rekonstruieren. Grundaussagen der biblischen Botschaft werden dadurch aber an keiner Stelle berührt.
Neben dieser großen Jesajarolle wurde noch eine weitere – wesentlich schlechter erhaltene – Jesajahandschrift in der Höhle 1 entdeckt. Ihr Text weist kaum Abweichungen gegenüber dem masoretischen Text auf.
Aber es blieb nicht bei diesem Fund allein. Bis 1956 entdeckten – fast immer die Beduinen – zehn weitere Höhlen mit den Überresten von rund 1.050 Schriftrollen. Aber leider waren die Rollen, im Gegensatz zu denjenigen in der ersten Fundhöhle, in zigtausende von Bruchstücken zerfallen. Insgesamt über 80.000 Rollenschnipsel mussten mühsam von Fachleuten gesichtet und zusammengefügt werden. In den 1950er-Jahren wurde extra dafür im Auftrag der Jordanischen Antikenverwaltung ein siebenköpfiges internationales Schriftrollenteam zusammengestellt. Aus den 80.000 Fragmenten konnten 15.000 zusammengehörige Teile rekonstruiert werden. Dabei konnten die Experten Abschriften fast aller alttestamentlichen Bücher nachweisen. Der einzige deutsche Forscher in diesem Team war damals Prof. Claus-Hunno Hunzinger, den ich gerne als „meinen Qumran-Mentor“ bezeichne. Seine Unterstützung bei meinen Qumranarbeiten öffneten mir die Türen bis in die Hochsicherheitslabors der Israelischen Antikenverwaltung, wo heute die Qumranfragmente aufwendig konserviert werden. In neuen archäologische Museum von Amman in Jordanien habe ich vor kurzem einen Vortrag über die Qumranforschung der 1950’er Jahre halten dürfen, da ich noch viele der Forscher der ersten Stunde persönlich kennenlernen durfte und z.T. deren Fotoarchive übertragen bekommen habe. Meine Nachforschungen führten mich sogar bis zu einem Mitarbeiter des Israelischen Militärgeheimdienstes, der während des Sechs-Tage-Krieges 1967 die heute weltberühmte Tempelrolle bei dem Händler der Beduinen für den Staat Israel beschlagnahmt hatte. Er berichtete mir in allen Details von dem Husarenstück währen des Krieges.
Rund 1000 Teilnehmer unserer Studienreisen durfte ich den letzten beiden Jahrzehnten durch die Ausgrabungen von Qumran führen und in die Archäologie dieser antiken Siedlung einführen. Dabei hat so mancher festgestellt, diese Steine können reden … Die Funde von Qumran haben u.a. eine enorme Bedeutung für das rechte Verständnis der Evangelien und vor allem für den Ablauf des Prozesses gegen Jesu. Beim Seminar in Stuttgart wird mit hunderten von exklusiven Fotos allgemeinverständlich in die Forschungsgeschichte eingeführt. Zudem werden auch Kopien der bedeutendsten Schriftrollen von Qumran gezeigt – so die berühmte große Jesajarolle. Die Originale befinden sich im Schrein des Buches von Jerusalem und werden jedes Jahr von Zigtausenden von Museumsbesuchern bewundert. Eigentlich sollten einige der Schriftrollen 2019 in Frankfurt gezeigt werden, doch da sich die deutsche Regierung leider beharrlich weigert, den Qumranrollen einen diplomatischen Status einzuräumen, wurde jetzt diese einzigartige Ausstellung abgesagt. Im Seminar werden Sie erfahren, was sich Hochbrisantes auf politischer Ebene wegen diesen antiken Funden ereignete und weshalb sie direkt im Zentrum des Nahostkonflikts stehen.
Erleben Sie einen Wissenschaftskrimi pur – und das einen ganzen Tag lang. Das Beste wäre natürlich wir würden das alles live in Jerusalem und Qumran machen … Aber einfacher ist es mit dem Tagesseminar in Stuttgart am 3.2.2018. Laden Sie doch auch Freunde und Bekannte ein und vor allem Menschen, die dem Glauben skeptisch gegenüberstehen.
Wir alle werden am Ende dieses Tagesseminars eindrücklich an das Wort aus dem Propheten Jesaja (40,8) erinnert: «Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; aber das Wort unsres Gottes bleibt ewiglich.» Jetzt anmelden!