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Der Kampf um Israels Zukunft

Ein dringender Gebetsaufruf

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Posted on: 
31 Mär 2023
Der Kampf um Israels Zukunft

Kurz vor den Feierlichkeiten zu Israels 75-jährigem Bestehen befindet sich der jüdische Staat in seiner vermutlich größten innenpolitischen Krise seit der Staatsgründung 1948. Die hitzigen landesweiten Debatten über die Justizreform führen seit Anfang Januar jede Woche zu Massendemonstrationen auf Israels Straßen. Während die neue Regierung am Anfang noch gehofft hatte, die Proteste würden mit der Zeit abklingen, ist genau das Gegenteil eingetreten. Sie haben nicht nur zahlenmäßig, sondern auch an Intensität zugenommen. (Foto: Getty, Flash90)

Israels innenpolitische Krise

Wichtige Autobahnen in und zwischen Tel Aviv und Jerusalem sind mehrfach blockiert worden, was viele Pendler ins Chaos stürzte. Besorgniserregender ist jedoch, dass Hunderte israelischer Reservisten, insbesondere in Eliteeinheiten der Luftwaffe und des Militärnachrichtendienstes, sich weigern, ihren jährlichen Reservedienst anzutreten. Dieser Reservedienst ist für jeden israelischen Soldaten bis zum Alter von 40 Jahren verpflichtend. Führungskräfte in der Hightech-Industrie der berühmten Start-Up-Nation haben Hunderte Millionen Euro von ihren israelischen Bankkonten abgezogen und diese an ausländische Geldinstitute überwiesen. Nach Angaben einiger Bankiers sind insgesamt bisher 4 Milliarden Euro außer Landes gebracht worden, zum Teil aus Protest, aber auch aus Sorge um die wirtschaftliche Zukunft Israels.

Gerüchte über „Bürgerkrieg“

Diese Woche erreichten die Unruhen einen gefährlichen Höhepunkt, als die Histadrut, der Dachverband der Gewerkschaften Israels, zu lähmenden landesweiten Streiks aufrief, um die Justizreformen zu stoppen. Besonders bemerkenswert war, dass der Ben-Gurion-Flughafen vorübergehend alle Auslandsflüge einstellte. Zusätzlich legten israelische Diplomaten auf der ganzen Welt ihre Arbeit nieder. Besorgniserregende Gerüchte über einen „Bürgerkrieg“ waren immer öfter zu hören. Zweifellos handelt es sich um einen höchst kritischen Zeitpunkt in der Geschichte des modernen Staates Israel.

Was steht also auf dem Spiel? Was veranlasst einen so großen Teil der Bevölkerung dazu, ihre Zeit und Energie zu investieren, um etwas zu stoppen, das sie als einen „Staatsstreich“ ansieht? Die Emotionen schlagen tatsächlich hohe Wellen! Manche Beobachter dieses Aufruhrs, einschließlich vieler christlicher Israelfreunde, wollen die Anti-Reform-Proteste auf ein reines Kräftemessen zwischen dem liberalen, säkularen Tel Aviv und dem religiösen Jerusalem reduzieren oder auf eine Machtprobe zwischen Linken und Konservativen. Andere vereinfachen den Konflikt allzu sehr, indem sie Premierminister Benjamin Netanjahu als das Problem darstellen. Natürlich sind all diese Aspekte für die Debatte bedeutungsvoll, doch die aktuelle Krise geht viel tiefer. Israel-Nachrichten per Email erhalten

Reformbedarf

Interessanterweise würde die überwiegende Mehrheit der Israelis grundsätzlich ein Maßnahmenpaket vernünftiger und ausgewogener Justizreformen begrüßen. Präsident Isaac Herzog, der frühere Vorsitzende der linksgerichteten Arbeitspartei, unterstützt Justizreformen genauso wie Jair Lapid, Vorsitzender von Jesch Atid, der größten Oppositionspartei, die im Januar die Proteste initiierte. Auch die vorherige Regierung unter Naftali Bennett und Lapid arbeitete bereits an sehr ähnlichen Justizreformen, die sie hätte umsetzen können, wenn sie ihre Mehrheit in der Knesset behalten hätte.

Proteste gegen die Justizreform

Abgesehen von den üblichen Parteistreitigkeiten und den Vorbehalten, die viele Israelis gegen Netanjahu haben, gibt es zwei Hauptgründe dafür, dass eine wachsende Anzahl von Israelis verschiedenster Hintergründe, sowohl aus dem säkularen als auch aus dem religiösen Lager, an den Protesten teilnimmt und zu Reformen aufruft, die auf einem breiteren Konsens beruhen. Selbst in Netanjahus eigener Likud-Partei hört man immer mehr Stimmen, die einen Kompromiss verlangen.

Das Hauptproblem ist die Frage, über wie viel Macht der Oberste Gerichtshof verfügen und wie die dortigen Richter bestimmt werden sollten. In dieser Frage sind sich fast alle einig: Israels nichtgewählte Richter üben zu viel Macht über Gesetze, ja sogar über Grundgesetze aus, die von der demokratisch gewählten Knesset verabschiedet werden. Die Richter mischen sich ihrer Ansicht nach zu sehr in politische Fragen ein, wobei sie von einer Mehrheit ihrer Richterkollegen ernannt werden, während die Knesset nur beschränkte Einflussmöglichkeiten hat. All das soll sich nun ändern.

Sorge vor religiösem Zwang

Doch die Mehrheit der Israelis befürchtet jetzt, dass die aktuelle Justizreform das Pendel der Macht von einem Extrem ins andere verfrachten wird. Die Macht würde von bisher überwiegend liberalen Richtern auf eine israelische Regierung übertragen, die noch nie so religiös und national war. Sollten die zentralen Reformen verabschiedet werden, die die Macht der Gerichte, schlechte Gesetze für ungültig zu erklären, beschränken, so wartet schon ein zweites Paket von Gesetzentwürfen, das bei vielen ernstzunehmende Ängste vor religiösem Zwang aufkommen lässt.

Es könnte zu neuen religiösen Beschränkungen bei der Frage kommen, wer nach Israel einwandern darf, und zur erzwungenen Einhaltung von Schabbat- und Kaschrut-Vorschriften. Frauen würden Haftstrafen drohen, wenn sie mit entblößtem Ellenbogen zur Klagemauer gingen. Für bestimmte Verbrechen wird über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachgedacht, während israelische Ärzte ermutigt werden könnten, Juden bei der Behandlung Nichtjuden vorzuziehen. Das gefährliche Anti-Missions-Gesetz haben wir dabei noch gar nicht erwähnt. Es hätte dazu führen können, dass Jesusgläubige einfach nur dafür im Gefängnis landen, dass sie ihren Glauben weitergeben. Gott sei Dank wurden viele dieser Gesetze bereits in ihren Anfängen gestoppt, doch sie spiegeln die Neigungen der amtierenden Regierung wider.

Die Zukunft Israels

Die entscheidende Frage für alle Beteiligten an dieser Krise lautet: Wie wird die Zukunft des jüdischen Staates aussehen? Es stimmt, dass sich die überwiegende Mehrheit der Demonstranten als Zionisten bezeichnen würde. Das gilt insbesondere für die Elitesoldaten, die gerade ihren Dienst verweigern. Diese mutigen Männer und Frauen sind normalerweise bereit, ihr Leben für das Überleben des Staates Israel zu opfern. Zudem befürwortet die Mehrheit der Protestierenden, dass Israel gemäß der Vision Theodor Herzls ein jüdischer Staat ist – ein Ort, an dem Juden auf der ganzen Welt Zuflucht finden. Ein Ort, an dem das Judesein nicht schambehaftet ist, sondern als ehrenhaft gilt. Eine Nation, die jüdische Feiertage hält und in der über 80 Prozent der Israelis an Jom Kippur freiwillig fasten, während sogar noch mehr an diesem Tag ihre Autos stehenlassen.

Die Frage lautet jedoch, mit wie viel staatlichem Zwang dieser jüdische Charakter den Bürgern Israels auferlegt wird. Oder, anders gefragt: Wie viel Freiheit hätte jeder Bürger, seine eigene jüdische Identität im Alltag auszuleben?

In den vergangenen Jahrzehnten hat Israel diesen Balanceakt mit unglaublicher Gewandtheit gemeistert. Einerseits erlaubte es allen seinen Bürgern maximale Meinungsfreiheit, während es gleichzeitig die Rechte der ultraorthodoxen Bevölkerung schützte, beispielsweise geschlechtergetrennte Schulklassen beizubehalten. Manche Bezirke in Israel sind am Schabbat für sämtlichen Verkehr gesperrt, während man in anderen Landesteilen Einkaufszentren vorfindet, die vor Autos und Menschen geradezu überquellen. Die Mehrheit der heutigen Israelis, selbst unter den Religiösen, würde diese individuellen Freiheiten in Israel gerne beibehalten. Genau an diesem Punkt waren die Richter am Obersten Gerichtshof oft die mäßigende Stimme, die diese gesellschaftliche Vielfalt und Balance zwischen Ultra-Orthodoxen und Ultra-Säkularen garantierte.

Israels demographische Entwicklung

Es gibt eine weitere Facette in dieser Debatte, die vielen Israelis Sorgen bereitet, und es könnte sogar das Kernproblem sein: die Demographie. Die ultraorthodoxe Bevölkerung in Israel ist in den letzten 75 Jahren von ein paar Hunderten zur Zeit der Staatsgründung auf zirka 14 Prozent der Bevölkerung angewachsen. Und dieser Trend scheint sich fortzusetzen. Heute besuchen 25 Prozent aller israelischen Erstklässler ultraorthodoxe Schulen. Ein beliebter Slogan der Anti-Reform-Proteste ist „De-mo-kra-tia“ (Demokratie), doch er sollte nach Überzeugung eines scharfsinnigen Rabbiners „De-mo-gra-phia“ lauten. Denn man befürchtet Folgendes: Wächst die ultraorthodoxe Gemeinschaft weiterhin schneller als alle anderen Bevölkerungsgruppen und werden die Justizreformen so, wie sie jetzt sind, verabschiedet, könnte sich Israels Charakter von einer liberalen jüdischen Demokratie hin zu einem religiösen Gottesstaat wandeln.

Tatsache ist, dass Israels ultraorthodoxe Bevölkerung nur zwei Prozent der nationalen Steuerlast trägt, während sie 40 Prozent der Sozialleistungen erhält. All das, während ultraorthodoxe Kinder vom Militärdienst befreit sind. Aus diesem Grund nehmen viele Israelis es den Religiösen übel, dass sie die alte soziale Übereinkunft quasi vorführen, die verlangt, dass jeder Bürger seinen Steueranteil zahlt und seine Söhne und Töchter in die Armee schickt. Es verärgert sie auch zu hören, wie ultraorthodoxe Politiker Piloten der israelischen Luftwaffe vorwerfen, „unpatriotisch“ zu sein, weil sie nicht zum Reservedienst erscheinen. Um es ganz klar zu sagen: Die meisten Israelis respektieren die ultraorthodoxe Gemeinschaft als Hüter der jüdisch-religiösen Traditionen, doch sie fürchten, dass die Justizreformen die Ultra-Religiösen ermächtigen werden, ihnen die Freiheiten und Rechte zu stehlen, für die viele Israelis in unzähligen Kriegen gekämpft haben und gestorben sind.

Gewaltenteilung in der Bibel

Vor diesem Hintergrund fragte mich kürzlich ein christlicher Leiter: „Wäre es nicht wunderbar, wenn ganz Israel gezwungen wäre, nach Gottes Geboten zu leben?“ Nein, das sehe ich anders! Unsere eigene christliche Geschichte zeigt, dass fromme und wohlmeinende religiöse Leiter nicht immer gute Politier sind. Kurzzeitig brachte die Erweckung in Genf unter Johannes Calvin eine zeitlich begrenzte, aber herrliche Epoche hervor, in der Genf „die Stadt Gottes“ genannt wurde. Doch sie endete in einer drakonischen Herrschaft religiöser Führer, die Kinder ermutigten, ihre Eltern auszuspionieren und zu verraten, sollten diese in Sünde fallen. Ähnliche Geschichten werden aus dem italienischen Florenz unter dem Reformator Savagnola berichtet. Und als Martin Luthers Reformation den ersten protestantischen Staat in Deutschland hervorbrachte, führte es dazu, dass Zehntausende Täufer als „Irrlehrer“ von Luthers Anhängern getötet wurden.

Auch wenn ich überzeugt bin, dass diese mittelalterlichen Beispiele nicht vom jüdischen Staat wiederholt werden, lehren sie uns doch, dass zu religiöse Politiker oft das Gewissen einer Nation überstimmen können. Die Hoffnung, die uns die jüdischen und christlichen Heiligen Schriften vermitteln, lautet: Wahre Freiheit, Gerechtigkeit und Recht werden allein von dem Mann herbeigeführt, der auf dem Thron Davids sitzen und sein Volk in Gerechtigkeit und Recht regieren wird.

Die israelischen Propheten vermittelten der Welt das, was wir heute als angemessene Teilung der Regierungsgewalten ansehen. In Jesaja 33,22 (HFA) sagt der Prophet: „Der HERR selbst ist dann unser Richter, unser Gesetzgeber und unser König. Nur er kann uns retten und wird es auch tun.“ Die frühen Reformatoren erklärten, dass nur ein vollkommener Gott diese drei Gewalten der Gesetzgebung (Legislative), der Gerichtsbarkeit (Judikative) und der Königsherrschaft (Exekutive) richtig ausüben könnte. Wir Menschen sind zu sündig und korrupt, als dass ein Mensch alle diese Gewalten in sich vereinen könnte. Und genau darum geht es heute in Israel.

Israel befindet sich gerade an einem kritischen und komplexen Punkt in seiner Geschichte, während es auf seinen 75. Geburtstag zusteuert. Es braucht unsere Gebete mehr als je zuvor, da diese Zeit die Zukunft des Landes entscheidend formen wird.

Wie sollten wir nun für Israel beten?

1. Beten wir für die politischen und religiösen Leiter Israels, dass sie Weisheit und Gnade empfangen, die Einheit der Nation wiederherzustellen. Das ist wichtig, da Jesus selbst gesagt hat, dass ein Königreich, das mit sich selbst uneins ist, nicht bestehen könne (Markus 3,24). Laut der jüdischen Tradition war es „sinat achim“ – der Hass unter Brüdern – der zum römischen Exil führte.

Beten wir gemäß Psalm 133,1 (HFA): „Wie schön und angenehm ist es, wenn Brüder in Frieden zusammenleben!“

2. Abraham war 75 Jahre alt, als er, der Vater des Glaubens, das Verheißene Land betrat (1. Mose 12). Lassen Sie uns beten, dass Israel an seinem 75. Geburtstag sein geistliches Erbe als Nation antritt. Beten wir, dass Israel aus diesem Chaos als Licht für die Nationen hervorgeht, dass diese schwierigen Zeiten dazu führen, dass Israel Gott sucht und Gott antwortet, indem er den Geist der Gnade und des Flehens auf Israel ausgießt.

Beten wir gemäß Sacharja 12,10ff.

3. Beten wir für Premierminister Netanjahu, dass Gott ihm Weisheit schenkt, dieses Land in Gerechtigkeit und Recht zu regieren.

Beten wir mit Psalm 72,1+2: „Gott, gib dein Recht dem König und deine Gerechtigkeit dem Königssohn, dass er dein Volk richte in Gerechtigkeit und deine Elenden nach dem Recht“ und Sprüche 21,1:  „Des Königs Herz ist in der Hand des HERRN wie Wasserbäche; er lenkt es, wohin er will“.

4. Beten wir für die Sicherheit Israels, da einige seiner Feinde bereits die Verwundbarkeit des jüdischen Staates inmitten dieser innenpolitischen Turbulenzen spüren.

Beten wir mit Psalm 121,4: „Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht“.


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