Von:
Gottfried Bühler, Erster Vorsitzender ICEJ-Deutscher Zweig e.V.
An der Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Befreiung Auschwitz-Birkenaus am 27. Januar in Polen nahmen nur noch 300 Zeitzeugen teil. Für die meisten der hochbetagten Überlebenden ist die Reise mittlerweile zu beschwerlich. Exemplarisch für viele von ihnen erzählen wir hier die Geschichte von Aaron Zolty aus Israel, die für unser Zeitzeugen-Projekt von Carmen Isenmann aufgeschrieben wurde. Während Aaron gut versorgt ist, leben zahlreiche andere israelische Holocaustüberlebende in bitterer Armut, oft müssen sie sich zwischen Lebensmitteln und Medikamenten entscheiden.
Wir bitten Sie, unsere Freunde und Unterstützer, recht herzlich, unsere Hilfsprojekte zugunsten bedürftiger Überlebender, insbesondere unser Haifa-Heim für Holocaust-Überlebende, weiterhin großzügig zu unterstützen, damit diese kostbaren Menschen ihren Lebensabend in Würde und Gemeinschaft verbringen können – gerade in diesem 70. Jahr nach Kriegsende! Wir haben nicht mehr viel Zeit. Als Verwendungszweck bitte „Helfende Hände” angeben, herzlichen Dank!
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Aaron Zolty ist heute 89 Jahre alt und lebt in Bat Jam in Israel. Als junger Mann überlebte er das Ghetto Litzmannstadt und das Konzentrationslager Auschwitz. Aaron wurde 1926 in Lodz geboren. Er war der Sohn von Dina und Shlomo Zolty und hatte zwei ältere Geschwister - Abraham und Elka. Aaron lebte im Zentrum von Lodz, im jüdischen Viertel. Im Elternhaus wurde unter der Leitung des Vaters eine Kleidungsfabrik mit 14 Angestellten geführt. Die Familie Zolty genoss ein sehr gutes und angenehmes Leben. Aaron besuchte bis 1938 die Volksschule ohne einen Abschluss zu machen.
Leben im Ghetto
Während des Krieges musste Aaron mit seiner Familie ab Mai 1940 isoliert im Ghetto Lodz, auch Ghetto Litzmannstadt genannt, unter schrecklichen Bedingungen leben. Es war das am längsten existierende nationalsozialistische Ghetto und nach dem Warschauer Ghetto das zweitgrößte. Es diente, wie die anderen NS-Ghettos auch, vor allem als Zwischenstation vor der Deportation in die Vernichtungslager. Die Lebensbedingungen im Ghetto waren unmenschlich: Die Bewohner litten unter Unterernährung, starben massenhaft an Krankheiten oder erfroren im Winter; teilweise starben sie auf offener Straße. Von der SS wurden immer mehr Menschen wegen ihrer jüdischen Herkunft, vor allem aus Westeuropa, in das KZ-Sammellager „Ghetto Litzmannstadt“ deportiert. Zwischen 1940 und 1944 starben 43.441 Personen innerhalb des Ghettos. Im Mai 1941 gab es rund 20.000 Tuberkulose-Infizierte. Auch Aarons Eltern kamen im Ghetto vor Hunger um. Die Hochzeit ihrer Tochter Elka erlebten sie dort aber noch mit.
Transport nach Auschwitz
Die Geschwister wurden im August 1944 in Viehwaggons unter schrecklichen Bedingungen nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Die Fahrt dauerte 72 Stunden. Sie waren ohne Nahrung, Wasser, ausreichend Sauerstoff und ohne medizinische Versorgung. Im Vernichtungslager wurden Aaron und seine Geschwister von Dr. Mengele selektiert. Die Brüder wurden zur Zwangsarbeit eingeteilt. Aarons Schwester Elka wurde nach Bergen-Belsen deportiert und dort von der SS ermordet. Aaron erfuhr dies erst nach dem Krieg. Aaron und Abraham schickte man in die Dusche. Dort wurden sie von der SS mit der Peitsche geschlagen, bekamen die Haare abgeschnitten, und wurden in Häftlingskleidung, die bekannten gestreiften Pyjamas, gesteckt. Nach einer Woche Zwangsarbeit wurde Abraham in ein anderes Lager gebracht; seine letzten Worte an Aaron waren: „Nach dem Krieg treffen wir uns Zuhause!“ Aaron hat seinen Bruder nie wieder gesehen. Abraham kam in Gross-Rosen ums Leben.
Lebensrettende Versorgung
Aaron wurde nach einem Monat im Kinderblock in ein Außenlager von Auschwitz verlegt - nach Trzebinia. Dort wurde am Ausbau einer Erdöl Raffinerie GmbH gearbeitet. Aaron verrichtete dort alle mögliche Arten von Arbeit. Während seiner Zeit im Zwangsarbeitslager machte er eine besondere Erfahrug mit einem deutschen Soldaten. Der Soldat versorgte Aaron und einige weitere jüdische Häftlinge mit Nahrung. Jeden Tag brachte er ihm ein belegtes Brot und nannte ihn „mein Sohn“. Vermutlich empfand er Mitleid mit dem jüdischen Volk - und Aaron hätte ohne seine Hilfe nicht überlebt. Der Soldat kehrte einmal nach einer Schlacht mit den Westmächten verletzt ins Lager zurück und schmuggelte dabei die doppelte Menge Nahrung durch. Als die Russen aufmarschierten, wollte der deutsche Soldat Aaron mitnehmen, aber es gab keine Chance, den Jungen aus dem Lager zu befreien. Nach dem Krieg trafen sich Aaron und sein deutscher Versorger in Hannover wieder.
Todesmarsch
Aaron musste am 17.01.1945 ins Stammlager Auschwitz zurückgehen - 60km zu Fuß. Am 18.01.1945 kam er in dem Vernichtungslager an. Von 600 jüdischen Häftlingen hatte nur knapp die Hälfte den Marsch überlebt. Irgendwie gelang es Aaron kurz vor der Ankunft in den Baracken von Auschwitz, sich unbeobachtet aus der Reihe zu stehlen. Er fand ein Versteck in einem abgelegenen Gebäude. Ein jüdischer Arzt kümmerte sich dort in den Räumen um die medizinisch misshandelten Opfer von Mengele. Aaron traute seinen Augen kaum: So viel Grausamkeit. Währenddessen begannen die Deutschen, allmählich aus dem Lager abzuziehen und vor den Russen zu fliehen. Am 27.01.1945 wurde Aaron von der Roten Armee befreit. Zum Zeitpunkt seiner Befreiung wog er 28kg.
Nach dem Krieg
Aaron hat als einziger seiner Familie den Holocaust überlebt. Er suchte nach dem Krieg nach seiner Schwester in Deutschland, bis er von ihrer Ermordung in Bergen- Belsen erfuhr. Der junge Mann lernte in Blankenese seine Frau Sima kennen und wanderte mit ihr am 30.05.1947 ins britische Mandatsgebiet Palästina ein. Zunächst lebte das junge Ehepaar im Kibbuz Hulda, danach in Rosch Pina. Aaron arbeitete 52 Jahre lang als Krankenpfleger. Er ist heute Vater von drei Kindern hat acht Enkel und sechs Urenkelkinder. Aaron und seine Frau Sima sind bis heute glücklich verheiratet und leben in Bat Yam.
Wenn sie einen bedürftigen Holocaust-Überlebenden in Israel im Rahmen unseres Patenschaftsprogrammes regelmäßig unterstützen möchten, wenden Sie sich bitte an den Deutschen Zweig der ICEJ, siehe Impressum. Jeder Beitrag ist willkommen!